Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

„verfassungsändernde(n) Staatsvertrag “3506 wie dem ZV gegenüber 
— verstanden hat. 
Gehört das Gewaltenteilungsprinzip dazu, liegt die Problematik 
auf der Hand: Unter den Wirtschaftsverträgen ist der Schweizerische 
Bundesrat in regelmässigen Abständen (im Rhythmus der Kundma- 
chungen des Wirtschaftsvertragsrechts) als ein Neben-Gesetzgeber 
tätig, der Landtag und Regierung in den von den Wirtschaftsverträ- 
gen erfassten Sachbereichen als Gesetzgebungsorgane im Sinne eines 
Gesetzgebungsmonopols verdrángt?907, [st dies mit der LV zu ver- 
einbaren? Geht Art. 8 Abs. 2 LV bzw. das in dieser Bestimmung ent- 
haltene Zustimmungskriterium der , Verfügung über Staatshoheits- 
rechte' so weit, dass auf das Staatshoheitsrecht der Gesetzgebung in 
einer ganzen Reihe von Sachbereichen samt und sonders verzichtet 
werden kann? 
Wird diese Frage bejaht, ist es so gut wie unmöglich, von 
Staatsvertragsschranken, d.h. von Schranken für den Abschluss und 
für den Vollzug völkerrechtlicher Verträge auszugehen. In diesem 
Falle wäre Art. 8 Abs. 2 LV eine Öffnung für Verfassungsdurchbrechun- 
gen gleich welcher Dimension. Wird sie verneint, steht einer Überprü- 
fung der materiellen Verfassungsmässigkeit des Wirtschaftsvertrags- 
rechts seit StGH 1998/61 Tür und Tor offen: In diesem Falle ist zu 
erwarten, dass dieses Erkenntnis ohne weiteres zu gerichtlichen, aber 
auch zu aussergerichtlichen Versuchen animieren wird, den fast 
achtzig Jahre alten Panzer der Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft 
mit der Schweiz zu knacken und das ,Kerngehalts'-Konzept von 
StGH 1998/61 auch dem ZV und den anderen Wirtschaftsvertrigen ge- 
genüber geltend zu machen. Was dies bedeutet, liegt auf der Hand: 
Werden die Verfassungsdurchbrechungen, die sich aus den Wirt- 
schaftsverträgen und vor allem aus dem ZV ergeben, dem Staatsge- 
richtshof zur Prüfung vorgelegt, wird dieser dazu überzugehen ha- 
ben, sein ,Kerngehalts-'Konzept auch dem Wirtschaftsvertragsrecht 
gegenüber zur Geltung zu bringen. 
Bis es zu diesem Szenarium in Form eines Tatbeweises des 
Staatsgerichtshofes kommt, ist davon auszugehen, dass der Staatsge- 
richtshof nach wie vor nicht dazu bereit ist, das Wirtschaftsvertrags- 
recht auf seine materielle Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. So 
heisst es in einem Erkenntnis, zu dem es sechs Monate nach StGH 
1998/61 gekommen ist: ,, Nach stándiger Praxis überprüft der Staats- 
3506 Wille (Integration) S. 393. 
3507 Siehe hierzu das 8. Kapitel Pkte. 4.1 und 4.2. 
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