Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

bevor die entsprechenden Beschlüsse des Gemeinsamen EWR- 
Ausschusses gemäss Art. 102 Abs. 1 EWRA in Kraft treten (können), 
durch Regierung und Landtag auf ihre Verfassungsmässigkeit so- 
wohl formell als auch materiell iiberpriift3462. 
Ist dem aber so, ist es ungewiss, in welchen Fällen ein Anderes 
Gericht nach StGH 1998/61 einen Antrag auf Überprüfung eines sol- 
chen EWR-Rechtsaktes auf seine Verfassungs- bzw. EMRK-Mässig- 
keit stellen kann (Antragsrecht) bzw. stellen muss (Antrags- 
pflicht)?^93, Dies zu tun, würde voraussetzen, dass die ,besonders 
krasse' Verfassungs- oder EMRK-Widrigkeit des betreffenden EWR- 
Rechtsaktes sowohl der Regierung als auch dem Landtag entgangen 
oder dass ein und derselbe EWR-Rechtsakt in einer Art und Weise 
umgesetzt worden wäre, die eine „besonders krasse Missachtung des 
Grundrechtsgehalts der Landesverfassung bzw. der Europäischen 
Menschenrechtskonvention”3464 bildet. Nur in diesem Fall bestiinde 
die in StGH 1998/61 geschaffene Überprüfungsmóglichkeit. Dass 
dieser Fall jedoch unwahrscheinlich ist, liegt auf der Hand. Unter wel- 
chen Voraussetzungen fiir die Anderen Gerichte ein Vorlagerecht 
oder eine Vorlagepflicht besteht, lässt sich unter diesen Umständen 
nicht erschliessen; „die Bedingungen für eine Mobilisierung des 
Schutzpotentials von StGH 1998/61 sind … diffus“3465, 
Durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bringt 
der Staatsgerichtshof die Vorlageordnung unter Art. 28 Abs. 2 
StGHG — und damit die Grundlagen für das Vorlageverhalten der 
Anderen Gerichte — aber auch sonst durcheinander. Vorgaben fehlen: 
Wie kann der Staatsgerichtshof von der ,Regel' abgebracht werden, 
das EWRA auf seine Verfassungs- und EMRK-Mässigkeit nicht zu 
überprüfen? Wann liegt eine ‚besonders krasse Missachtung‘ der LV 
oder der EMRK vor, derentwegen eine Anrufung des Staatsgerichts- 
hofes zu erfolgen hat? Muss ein solcher Verdacht aus dem betreffen- 
den EWR-Rechtsakt oder aus den formellen Gesetzen oder Verord- 
nungen hervorgehen, die seiner ‚direkten Umsetzung” dienen (Um- 
setzungserlasse)? Und welche Rechtslage besteht für das Vorlagever- 
halten der Anderen Gerichte in Fällen, in denen weder eine ‚beson- 
ders krasse Missachtung‘ noch eine solche des ‚Kerngehalts’- 
Konzepts von StGH 1998/61 ersichtlich ist? Wo liegt in diesen Fällen 
die Schwelle zwischen Vorlagerecht und Vorlagepflicht? Und was 
3462 Siehe hierzu das 7. Kapitel Pkt. 2.1. 
3463 Siehe hierzu das 19. Kapitel Pkt. 3.3. 
3464 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 131. 
3465 Becker (Überprüfung) S. 18. 
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