Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

StGH 1998/61 scheint die Praxis des Staatsgerichtshofes zum 
Schutz des ,Wesensgehaltes' der Grundrechte der LV3415 fort- 
zusetzen, wonach Eingriffe in diese (nur) zulässig sind, wenn 
sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im óffentlichen 
Interesse liegen, verháltnismássig sind und ,den grundrechtli- 
chen Kerngehalt nicht verletzen^9^!6, Dieser Vorbehalt scheint 
Modell gestanden zu haben, wenn es in StGH 1998/61 heisst, 
,der Vorrang des EWR-Rechts vor dem Landesrecht (müsste) 
dort seine Grenze haben, wo Grundprinzipien und Kernge- 
halte der Grundrechte der Landesverfassung tangiert wür- 
den“3417, Mit diesem Vorbehalt soll nicht nur im Innenverhilt- 
nis (dem Landesrecht gegenüber), sondern auch im Aussen- 
verháltnis (dem Vólkervertragsrecht gegenüber) eine Bastion 
jenes Kerns der von LV und EMRK garantierten Grundrechte 
errichtet werden, der unter keinen Umständen preisgegeben 
werden darf3418, 
Gegen ein solches Vorgehen ist nichts einzuwenden. Vor- 
zuwerfen ist dem Staatsgerichtshof jedoch, dass er in StGH 
1998/61 an einer Wegmarke Halt gemacht hat, die dem Solan- 
ge I-Beschluss des Deutschen Bundesverfassungsgerichtes aus 
dem Jahre 1974 entspricht und die durch den Solange II- 
Beschluss (ebenfalls des Deutschen Bundesverfassungsge- 
richts) aus dem Jahre 1986 überwunden worden ist. In diesem 
findet sich die Formel, wonach ,das Bundesverfassungsge- 
richt seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abge- 
leitetem Gemeinschaftsrecht ... nicht mehr ausüben und dieses 
Recht mithin nicht mehr am Masstab der Grundrechte des 
Grundgesetzes überprüfen (wird)", solange „die Europäischen 
Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Ge- 
richtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der 
Grundrechte ... generell gewährleisten, der dem vom Grund- 
gesetz als unabdingbar gebotenen und Grundrechtsschutz im 
3415 Siehe hierzu Hoch (Grundrechtsprechung) S. 71ff m.w.H. sowie für den Bereich der Handels- 
und Gewerbefreiheit Frick (HGF) S. 294ff, vor allem S. 299ff. 
3416 Ständige Rechtsprechung; siehe hierzu zuletzt StGH 1997/41, n. publ., Pkt. 2.1 der Entschei- 
dungsgründe, S. 10 des Entscheidungstextes, und für die Rechtsprechung des Schweizeri- 
schen Bundesgerichts, an die sich die Praxis des Staatsgerichtshofes anzulehnen scheint, 
Haefliger S. 477 m.w.H. 
3417 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 130. 
3418 Siehe hierzu Gubser S. 21. 
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