Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

bestünde der Verdacht auf eine besonders krasse Missachtung des 
Grundrechtsgehaltes der Landesverfassung bzw. der Europäischen 
Menschenrechtskonvention”3331. Zu dieser Erklärung ist er über die 
Erwägung gekommen, „der Vorrang des EWR-Rechts vor dem Lan- 
desrecht (müsste) dort seine Grenze haben, wo Grundprinzipien und 
Kerngehalte der Grundrechte der Landesverfassung tangiert würden"3332, 
Nachdem „das Recht der Europäischen Gemeinschaft und somit 
auch das EWR-Recht die Grundrechte und insbesondere auch die 
Europäische Menschenrechtskonvention anerkennen", würde dieser 
Konfliktfall ,in der Praxis” jedoch ,kaum einmal auftreten^3333, 
Im Anlassfall stand das sog. Verstündigungsverbot i.S.d. dama- 
ligen Fassung von Art. 9 Abs. 4 SPG in Frage, das sich auf Art. 8 der 
Richtlinie 91/308/EWG stützt(e) bzw. dessen Umsetzung dient(e). 
Das Verstándigungsverbot richtet sich an Informationsträger (insbe- 
sondere an die sog. Finanzintermediäre). Es stellt die Vertraulichkeit 
sicher und schützt die Tätigkeit der Ermittlungs- und Strafverfol- 
gungsbehörden in den Fällen eines diesen zur Kenntnis gebrachten 
Geldwäschereiverdachtes in der ersten, besonders heiklen Aufklä- 
rungsphase. In StGH 1998/61 ist der Staatsgerichtshof zum Schluss 
gekommen, dass aufgrund einer ,Informationssperre" von hóchstens 
acht Tagen Dauer ,nur ein leichter Grundrechtseingriff (vorliegt), 
sodass von vornherein nicht zu befürchten ist, dass dadurch in den 
grundrechtlichen Kernbereich der Landesverfassung eingegriffen 
würde. Der entsprechenden Normenkontrollrüge ... ist somit ohne 
weiteres keine Folge zu geben^3334 
StGH 1998/61 ist das Ergebnis eines Gedankenganges, der 
von der Hypothese ausgeht, ,die Feststellung der Verfassungswid- 
rigkeit einer auf EWR-Recht beruhenden Gesetzesbestimmung käme 
faktisch dem Vorrang der Verfassung und somit von Landesrecht 
gegenüber dem EWR-Recht gleich^3335, Diese Hypothese wird unter 
Berücksichtigung der vierten Begründungserwágung der Práambel 
des EWRA, von Art. 7 EWRA und von Protokoll 35 EWRA jedoch als 
,zumindest implizit im Widerspruch"3336 zum EWRA verworfen — 
um in dem (im Konditional gehaltenen) Postulat wieder in Erschei- 
nung zu treten, ,der Vorrang des EWR-Rechts vor dem Landesrecht 
3331 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 131 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
3332 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 130 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
3333 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 130f. 
3334 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 131. 
3335 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 131. 
3336 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 130. 
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