Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

d) StGH 1993/4 
In StGH 1993/4 hat der Staatsgerichtshof StGH XIII /1947- 
1954 wenn auch nur widerwillig, so doch in allen Punkten bestátigt 
und ein weiteres Mal hervorgehoben, ihm komme ,nach geltendem 
Recht eine Prüfung staatsvertraglicher Vorschriften nicht zu'/3323, 
„Die Überprüfung eines Staatsvertrages ... auf seine verfassungsmä- 
ssige Gültigkeit ist dem StGH entzogen"3324: dies gelte ungeachtet 
,Sachlich und rechtlich zutreffender Gründe"3325 (des OGH) für die 
Annahme seiner materiellen , Verfassungswidrigkeit^3326 in einem 
Anlassfall — wie dies vom Staatsgerichtshof in Bezug auf die Art. 27 
und 28 ZV als einem unter mehreren móglichen Verstándnissen zum 
Ausdruck gebracht worden war. 
e) SEGH 1998/61 
Nach StGH XIIL/1947-1954 stand der Grundsatz, dass der 
Staatsgerichtshof zu einer Überprüfung der materiellen Verfas- 
sungsmässigkeit des Vólkervertragsrechts?327 nicht befugt ist, bis zu 
einem Urteil vom 3. Mai 19993328 ausser Frage. Im Unterschied zu 
StGH XTII./1947-1954 stand in StGH 1998/61 die materielle Verfas- 
sungsmässigkeit nicht ursprünglichen ‚primären‘, sondern abgelei- 
teten ,sekundáren' Rechts in Frage; ging es im Jahre 1947 noch um 
Bestimmungen des ZV bzw. um das Anwendbarkeitsverfahren des 
ZV39?8, ging es im Jahre 1999 um eine in Liechtenstein aufgrund des 
EWRA geltende EWR-Richtlinie3330, 
In StGH 1998/61 hat der Staatsgerichtshof erklärt, dass er 
,EWR-Recht bzw. sich direkt darauf stützendes Landesrecht in aller 
Regel nicht auf seine Verfassungsmässigkeit (überprüft), ausser es 
3323 StGH 1993/4, LES 2/1996 S. 46. 
3324 StGH 1993/4, LES 2/1996 S. 47. 
3325 StGH 1993/4, LES 2/1996 S. 47. 
3326 StGH 1993/4, LES 2/1996 S. 46. 
3327 Gemeint sind vólkerrechtliche Verträge in ihrer Funktion sowohl als ursprüngliches ,Primár- 
recht’ als auch als abgeleitetes ,:Sekundárrecht', wie insbesondere das EWR- und das Wirt- 
schaftsvertragsrecht als Inbegriff der in Liechtenstein aufgrund des EWRA und der Wirt- 
schaftsvertráge geltenden Rechtsvorschriften. 
3328 Dieses Urteil, StGH 1998/61, ist in diesem Zusammenhang und mit diesem Ergebnis nicht 
das einzige geblieben. Am gleichen Tage, dem 3. Mai 1999, hat der Staatsgerichtshof die in 
Bezug auf seine Praxis zur materiellen Verfassungsmássigkeit des Vólkervertragsrechts (des 
EWR-Rechts) gleichlautenden Entscheidungen StGH 1998/59 und StGH 1998/60, beide n. 
publ., erlassen. 
3329 Siehe hierzu das 8. Kapitel Pkt. 3. 
3330 Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des 
Finanzsystems zum Zwecke der Geldwásche (ABI. Nr. L 166 vom 28. Juni 1991, S. 77; Anh. 
IX — 23.01 EWRA). 
601
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.