Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

befassen haben wird, besteht vor allem unter den folgenden Prämis- 
sen, die entweder rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein können??02. 
* Es bestehen de facto Kundmachungsmängel, wie z.B. in Form 
von redaktionellen Versehen, textlichen Unzulänglichkeiten 
oder Gestaltungsfehlern3203; 
* die Verzógerungen zwischen den einzelnen Bereinigungsrun- 
den bzw. Kundmachungen des Wirtschaftsvertragsrechts??04 
sind de jure zu gross, als dass dies mit grundlegenden rechts- 
staatlichen Kriterien vereinbar wáre, und zwar sowohl absolut 
(d.h. in Bezug auf den zeitlichen Abstand der Kundmachun- 
gen) als auch relativ (d.h. im Vergleich zum Zeitpunkt des In- 
krafttretens in der Schweiz); 
* das Wirtschaftsvertragsrecht ist deshalb nicht kundgemacht, 
weil die betreffende Ausgabe der SR an dem dafür vorgesehe- 
3202 Die folgenden Gesichtspunkte (Gedankenstriche) gehen davon aus, dass die Hechtsfindung 
in Bezug auf das Wirtschaftsvertragsrecht im Vergleich zum Landesrecht insofern einge- 
schránkt ist, als dieses (das Wirtschaftsvertragsrecht) in Liechtenstein nur an den beiden 
Standorten einer Ausgabe der AS/SR zugänglich ist (Liechtensteinische Landesbibliothek und 
— unter Vorbehalt — Regierungskanzlei). Auch wenn nicht zu übersehen ist, dass sowohl der 
Landtag in Art. 11 Abs. 1 Bst. b KmG als auch der Staatsgerichtshof in StGH 1983/11, Stotter 
(Verfassung) S. 12 eine solche praktische Unterscheidung und Ungleichbehandlung zugelas- 
sen bzw. hingenommen haben, ist der Umstand, dass diese Diskrepanz die Diskriminierung 
eines bestimmten Personenkreises zur Folge hat, nicht von der Hand zu weisen und unter 
verschiedenen tatsáchlichen und rechtlichen Gesichtspunkten von zentraler Bedeutung; so 
z.B. unter Berücksichtigung von Art. XI StHAG. Nach Massgabe dieser Bestimmung geht eine 
Anwendung von Strafbestimmungen des Wirtschaftsvertrags- einer solchen des Landesrechts 
(StGB und Nebenstrafgesetzgebung) in den Fällen einer Gesetzeskonkurrenz vor. Dies be- 
deutet aber nichts anderes, als dass in ihrem vollständigen Wortlaut kundgemachte Strafbe- 
stimmungen (des Landesrechts) von solchen (des Völkervertragsrechts) verdrängt werden, 
die in Liechtenstein nur über einen Verweis in den Anlagen der Wirtschaftsverträge gelten, 
die im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nur in Form einer Referenzpublikation kundge- 
macht sind und deren vollständiger Wortlaut in Liechtenstein nur an zwei Standorten einge- 
sehen werden kann. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist das (vor dem Inkrafttreten des 
StRAG gefällte) Urteil des OGH vom 13. März 1984, U 778/83-26, LES 1985 S. 117ff, in dem 
es um eine Gesetzeskonkurrenz zwischen dem ANAG und 8 323 des alten StGB ging, die 
vom OGH mit einem Rückgriff auf die klassischen Derogationsregeln aufgelóst worden war. 
Problematisch ist also nicht nur der Umstand, dass zwei ,Rechtsmassen' samt Strafbestim- 
mungen ungleich kundgemacht werden und ungleich zugánglich sind, sondem auch, dass die 
nur mittels Referenzpublikation kundgemachten Rechtsvorschriften des Wirtschaftsvertrags- 
rechts die Anwendbarkeit der mittels Integralpublikation kundgemachten Rechtsvorschriften 
des Landesrechts ausschliessen kónnen. Diese Probleme sind bei den folgenden Gesichts- 
punkten (Gedankenstrichen) zu berücksichtigen. 
3203 Siehe hierzu Becker (Anmerkungen) S. 31 (Pkt. 38). 
3204 Die Kundmachung des Wirtschaftsvertragsrechts erfolgt gemáss Art. 1 des Wirtschaftsver- 
tragsrechts-KmG nur ,regelmássig", ohne dass eine Angabe z.B. in Bezug auf die (Hóchst-) 
Abstánde zwischen den einzelnen Kundmachungen oder in Bezug auf deren Háufigkeit in- 
nerhalb einer bestimmten zeitlichen Einheit (wie z.B. einem Jahr) gemacht würde. Der Zeit- 
punkt der Kundmachung wird vielmehr einzig und allein ,von der Regierung bestimmt". Dies, 
obwohl die Kundmachung gemáss Art. 5 des Wirtschaftsvertragsrechts-KmQG eine konstitutive 
Bedeutung hat, d.h. rechtsbegründend ist. 
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