Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

3.2.2 
Weder ist das neue StGHG in Kraft noch kann dies ohne eine Revisi- 
on von Art. 104 LV erfolgen. 
Aber auch die Praxis, ein erstes Erkenntnis (StGH 1993/4) in 
einem zweiten (StGH 1996/28) zu begründen, ist unbefriedigend — 
auch wenn dem Staatsgerichtshof zuzugestehen ist, dass er die Kritik 
an StGH 1994/39192 in StGH 1996/28 aufgegriffen und zum Anlass 
genommen hat, seinen sowohl in StGH 1993/4 als auch in StGH 
1996/28 gewählten Ansatz einer ‚Aufhebung der Anwendbarkeit‘ zu 
erläutern. Diese Reflexionsbereitschaft ist dem Staatsgerichtshof 
zwar zu Gute zu halten. Dass solche nachträgliche Begründungen be- 
sonders strengen Kriterien entsprechen müssen, liegt jedoch deshalb 
auf der Hand, weil zwischen dem ersten und dem zweite Erkenntnis 
eine Gelegenheit zur Korrektur besteht. In StGH 1993/4 und in StGH 
1996/28 hat der Staatsgerichtshof diese Chance vertan: Statt StGH 
1993/4 in StGH 1996/28 zu revidieren, hat er sich in das Abenteuer 
eines Vorgriffs auf weder bestehendes noch verfassungsmaéssiges 
(tormelles) Gesetzesrecht gewagt. 
Ausblick 
Sollte die Frage der Kundmachung des Wirtschaftsvertragsrechts 
wiederum zum Inhalt des Prüfantrages eines Anderen Gerichtes ge- 
máss Art. 28 Abs. 2 StGHG werden, wird es dem Staatsgerichtshof 
wiederum obliegen, einen Mittelweg zwischen den offenkundigen 
und nach wie vor widerstreitenden Postulaten der Vertrags- und der 
Verfassungstreue zu finden. Dabei wird er davon abzusehen haben, die- 
se Frage als einen Gegenstand der Normenkontrolle zu behandeln — 
womit die , Notwendigkeit^9193 einer Kassation?!9^ der betreffenden 
Bestimmungen im Falle ihrer nicht verfassungs- oder gesetzmässigen 
Kundmachung von vornherein entfüllt. 
Dieser Punkt ist von zentraler Bedeutung: Hátte der Staatsge- 
richtshof von Beginn an darauf verzichtet, die Frage nach der Art 
und Weise der Kundmachung des Wirtschaftsvertragsrechts zu einer 
Frage der Normenkontrolle und damit zu einer Frage der formellen 
Verfassungsmássigkeit zu machen, wáren ihm die Notstandstaten in 
StGH 1981/18 und in StGH 1990/13 ebenso erspart geblieben wie 
das Dilemma, in dem er sich in StGH 1993/4 und in StGH 1996/28 
3192 Becker (Anmerkungen) S. 25ff. 
3193 StGH 1978/8, LES 1981 S. 6 sowie StGH 1977/10, LES 1981 S. 57. 
3194 ,Kassation' verstanden als Aufhebung der betreffenden Rechtsvorschrift i.S.v. Art. 104 Abs. 2 
erster Satz LV i.V.m. Art. 38 Abs. 3 StGHG. 
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