3.2
3.2.1
Es ist in der Tat nur sehr schwer nachvollziehbar, wie Rechts-
vorschriften, die vom Staatsgerichtshof nur in ihrer „Gültigkeit“3178,
nicht aber auch in ihrer „Anwendbarkeit“3179 geschützt werden,
geltendes Recht bilden sollen — und zwar vor allem dann, wenn die
Feststellung ihrer ,Nichtanwendbarkeit^3180 in einem Anlassfall
„schlicht und einfach beantragt werden kann'318!, Rechtsvorschrif-
ten, die einer solchen „Möglichkeit der Anfechtung/3182 unterliegen
(d.h. unter Umstánden das Wirtschaftsvertragsrecht in seiner Gesart-
heit), sind keine ,rechtsetzenden Vorschriften"3183; sie setzen
,Schlicht und einfach kein Recht^3!84, An dieser Einschätzung ist
festzuhalten.
Fazit und Ausblick
Fazit
Im Korsett der von ihm entwickelten und gegen den (mehrmaligen)
Widerstand von Landtag und Regierung verteidigten hohen Kund-
machungsstandards ist der Staatsgerichtshof zwischen 1977 und 1999
in mehreren Fällen in eine Situation geraten, in der es sowohl recht-
lich als auch politisch äusserst heikel war, mit einer Kassation der be-
treffenden Rechtsvorschrift (und zwar vor allem des betreffenden
Grunderlasses) die Rechtskraft eines ganzen Rechtsbestandes (des
Wirtschaftsvertragsrechts) aufzuheben. In diesen Fállen war die Al-
ternative von Art. 38 Abs. 2 StGHG - die Wahl zwischen der Wah-
rung der Rechtskraft einer nicht verfassungs- und gesetzmässig
kundgemachten Rechtsvorschrift einerseits und ihrer Kassation an-
dererseits?189 — ein Albtraum von einem Dilemma.
In seiner Praxis ist es dem Staatsgerichtshof zwar gelungen,
eine Trennlinie zwischen den beiden Polen des Vólkervertrags- und
des Landesrecht zu ziehen, um die Einzelnen vor einer nicht verfas-
sungs- und gesetzmássigen Kundmachung des Wirtschaftsvertrags-
3178 StGH 1994/3, LES 2/1996 S. 49.
3179 StGH 1994/3, LES 2/1996 S. 49.
3180 StGH 1994/3, LES 2/1996 S. 49.
3181 Becker (Anmerkungen) S. 30.
3182 StGH 1994/3, LES 2/1996 S. 49.
3183 Art. 1 KmG.
3184 Becker (Anmerkungen) S. 29.
3185 Siehe hierzu das 19. Kapitel Pkt. 3.4.1.
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