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2. KAPITEL: ANSATZ UND VORGEHENSWEISE,
CHARAKTER UND INHALT, BEGRIFFE UND
ZITIERWEISE
Ansatz und Vorgehensweise
Das Thema dieser Dissertation, das Verhältnis zwischen dem Völ-
kervertrags- und dem Landesrecht, ist - und zwar vor allem in den
vergangenen zwanzig Jahren — in erster Linie von der Praxis des
Staatsgerichtshofes geprágt worden. Das (geschriebene oder unge-
schriebene) Verfassungsrecht hüllt sich in diesem Zusammenhang
(noch?9) mehr oder weniger in Schweigen; die anderen positiv-
rechtlichen Schnittstellen?’ tun es ihm gleich. Aus diesem Umstand
ergibt sich als Ansatz dieser Dissertation eine Fokussierung auf die
Praxis des Staatsgerichtshofes in seiner Funktion als Verfassungsge-
richtshof?8.
Diese Entscheidung zollt nicht nur der Tatsache Rechnung,
dass es sich bei der LV um ein Grundgesetz handelt, das sich von an-
deren Verfassungsordnungen vor allem durch seine historische und
konzeptionelle Eigen- und Einzigartigkeit”? unterscheidet; dass die
LV vor allem aus sich selbst verstanden werden muss, bildet in Lehre
Siehe hierzu die Verfassung vom 16. März 2003, die an verschiedenen Stellen auf verschie-
dene Schnittstellen zwischen dem Völkervertrags- und dem Landesrecht eingeht, so z.B. in
Art. 92 Abs. 2 und 3 LV in Bezug auf die Möglichkeit, Verordnungen auf der Grundlage (auch)
von völkerrechtlichen Verträgen zu erlassen, oder auf Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV, der eine
Überprüfung der Verfassungsmässigkeit völkerrechtlicher Verträge im Rahmen der Normen-
kontrolle ebenso vorsieht wie bei formellen Gesetzen oder bei Verordnungen.
Siehe hierzu das 3. Kapitel Pkt. 4.
Die Praxis des Staatsgerichtshofes ist in dieser Dissertation bis zum Stichtag des 31. Oktober
2001 berücksichtigt worden (sowie — anlassbedingt — unter Einschluss der beiden Erkenntnis-
se StGH 2001/12 und StGH 2002/84 vom 25. Márz 2003 bzw. vom 14. April 2003, beide n.
publ.). Diese Grenzziehung entspricht den im Liechtensteinischen Landesarchiv bis zu die-
sem Zeitpunkt zugánglichen unveróffentlichten und den bis zur Ausgabe Nr. 2/2003 der LES
vom Juni 2003 veróffentlichten Erkenntnissen. Neben der Praxis des Staatsgerichtshofes
werden auch Erkenntnisse anderer Gerichte, wie vor allem jene der ôffentlich- und der zivil-
rechtlichen Hóchstgerichte VBI und OGH berücksichtigt. Dies geschieht jedoch nicht syste-
matisch.
Siehe hierzu das 4. Kapitel Pkt. 2 sowie statt vieler Batliner (Verfassungsrecht) S. 41, der von
der LV als einer ,eigen- und einzigartigen" Verfassungsordnung spricht, Kühne (Grund- und
Freiheitsrechte) S. 140, wonach Liechtenstein eine ,'fóderative Rechtsordnung' einmaliger Art
und besonderer ,europáischer Prágung" aufweise, oder Waschkuhn (Mischverfassung) S. 10:
„Diese Verfassung stellt eine ausgesprochene Sonderform dar und hat ein originäres Geprä-
ge“. Siehe zu allem Willoweit (Stellvertretung) S. 124, zur ‚Einordnung der liechtensteinischen
Verfassung’ Weber S. 143ff sowie Alois Riklin, Liechtensteins politische Ordnung als Misch-
verfassung, in: LPS Kleine Schriften Bd. 11, Vaduz 1987, S. 20ff.
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