2.3.2
2.3.2.1
Entscheidung ... auch dann nicht als verfassungswidrig, wenn sie
objektiv krass unrichtig ausgefallen war"?989,
An der (problematischen) Feststellung, dass der OGH in sei-
ner Praxis die harte (objektive) Bindung an die Vorgaben bestehen-
den Gesetzes- oder Richterrechts sowohl auf der landes- als auch auf
der EWR-rechtlichen Ebene gelockert und durch eine weiche (sub-
jektive) Rücksichtnahme auf Treu und Glauben des óffentlichen
Rechtstrágers ersetzt hat, führt vor diesem Hintergrund kein Weg
vorbei. Ist dem aber so, dürfte es - um mit den Worten des EFTA-
Gerichtshofes zu sprechen - unter dem ATIG in der Regel praktisch
unmaglich bzw. unverhültnismüssig schwierig sein, Staatshaftungsan-
sprüche durchzusetzen.
Dieser Schluss gilt umso mehr, als für eine Immunisierung óf-
fentlicher Rechtstráger unter dem ATG ein grosser Spielraum besteht:
Nach der Praxis des OGH geht es darum, „dem Rechtsanwender
nicht allzu strenge Fesseln anzulegen und die Rechtsauslegung lebendig
zu erhalten'?990, Ein erhebliches Mass an persónlicher Ermessensfrei-
heit — und im gleichen Umfang an individueller Nachsichtigkeit ?991 —
ist dem öffentlichen Rechtsträger damit gewiss. Unter diesen Vorzei-
chen wird es ihm in der Regel gelingen, glaubhaft zu machen, dass er
sich im Zeitpunkt des von ihm erlassenen Gerichtsurteils oder Ver-
waltungsaktes nach Treu und Glauben im Rahmen jener ‚Schutzzo-
ne’ befand, die ihm vom OGH gewährleistet wird. Und im gleichen
Umfang lässt sich die Praxis des OGH zum AHG als mit dem EWR-
Recht nicht zu vereinbaren.
Fazit und Ausblick
Fazit
Sowohl das Landes- als auch das EWR-Recht zwingen zu einer Ein-
schränkung der Praxis des OGH zum AHG:
e Erstens lässt sich der vom OGH geschaffene ‚Vertretbarkeits-
vorbehalt', den der OGH óffentlichen Rechtstrágern zur Ver-
fügung gestellt hat, umso weniger rechtfertigen, als in einem
Verfahren de jure Anwaltszwang oder de facto eine Parteien-
2989 Hoch (Grundrechtsprechung) S. 67.
2990 Beschluss des OGH vom 5. Februar 1998, OG-C 471/95, LES 4/1998 S. 233 (Kursivstellung
durch den Verfasser).
2991 Siehe beispielhaft für einen Schutz der Auslegungs- und Anwendungsftreiheit der Anderen
Gerichte StGH 1985/6, LES 4/1986 S. 117 sowie StGH 1988/16, LES 3/1989 S. 115.
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