Tätigkeit verfassungs- und gesetzmässig zu verhalten haben?984,
sondern an einem ,Vertretbarkeitsvorbehalt', dessen Geltungsbereich
vom OGH äusserst weit gefasst worden ist; die Vermutung, dass die-
ser, über den óffentlichen Rechtstrágern aufgespannte Schutzschirm
erst vor dem Tatbestand einer Willkür im Sinne des ,groben Willkür-
rasters^?985 der Praxis des Staatsgerichtshofes?996 Halt machen wird,
drängt sich ebenso auf?987 wie ein Rückblick auf das „subjektive
Willkürverstándnis"?988 des Staatsgerichtshofes in der ersten Phase
seiner Grundrechtsprechung: Nach dieser Massgabe erachtete der
Staatsgerichtshof dann, ,wenn sich die zustándige Instanz ersichtli-
che Mühe gegeben hatte, eine richtige Entscheidung zu fállen, ... die
2984 Zum Grundsatz iura novit curia hat der Staatsgerichtshof in StGH 1997/2, n. publ., Urteil vom
5. September 1997, Pkt. 2.3 der Urteilsbegründung, S. 13 des Urteilstextes, in einer mass-
vollen und - vor allem — wirklichkeitsnahen Abwágung der für die Rechtsfindung vor Gericht
massgebenden Faktoren klárt, dass ,die Lósung eines Rechtsproblems ... allzu háufig nicht
einfach aus einer klar identifizierbaren Rechtsnorm ableitbar ist. Die Feststellung ist inzwi-
schen zum Gemeinplatz geworden, dass ... die Rechtsfindung in der Regel ein komplexer
Vorgang ist. Es kommt letztlich einer Überschátzung und Überforderung der Gerichtsinstan-
zen gleich, wenn man glaubt, dass diese für eine fundierte Rechtsfindung von vomherein auf
die argumentative Unterstützung einer betroffenen Partei verzichten kónnten". Dessen unge-
achtet muss daran festgehalten werden, dass der Kern der Tátigkeit der Gerichte und Ver-
waltungsbehórden darin besteht, das objektive Recht durchzusetzen, d.h. sich verfassungs-
und gesetzmássig zu verhalten.
2985 StGH 1999/42, n. publ., Pkt. 3.3 der Entscheidungsgründe, S. 18 des Entscheidungstextes.
2986 Nach der Praxis des Staatsgerichtshofes zum Willkürverbot gemáss Art. 31 LV stellt ,die
behauptete unrichtige Anwendung von Gesetzen allein noch keine Verletzung verfassungs-
mássig garantierter Rechte" dar, ,sofern nicht an sich eine verfassungswidrige Norm ange-
wendet wäre oder eine willkürliche, d.h. eine im Anwendungsfall qualifiziert unsachliche, grob
verfehlte oder denkunmögliche Rechtsanwendung vorläge“; siehe hierzu statt vieler StGH
1990/7, LES 1/1992 S. 11. In StGH 1999/42, n. publ., Pkt. 3.3 der Entscheidungsgründe, S.
18 des Entscheidungstextes, hat der Staatsgerichtshof im Rahmen einer Willkürprüfung die
beiden Begriffe der ,Verfassungsmássigkeit' und der ,Vertretbarkeit' einander gleichgestellt:
Die Verfassungsmássigkeit ist ... gewahrt, wenn sich die Entscheidung auf vertretbare Grün-
de stützt". Die Willkürschwelle beginnt nach Massgabe dieser Praxis erst dort, wo es sich um
ein ,derart offensichtliche(s) Unrecht" handelt, das ,in einem modernen Hechtsstaat nicht zu
tolerieren ist". Siehe zur Willkürrechtsprechung des Staatsgerichtshofes die Kritik bei Kohleg-
ger (Justiz) S. 72f, wonach sich der Staatsgerichtshoft mit dieser Praxis ,immer tiefer in die
Rechtsanwendung insbesondere ... des Obersten Gerichtshofes eingemengt (hat)', was
entgegen Sinn und Wortlaut des Gesetzes" sei, sowie die Differenzierung bei Kley (Landes-
bericht) S. 11f: ,Das Willkürverbot ist nicht ein Grundrecht auf fehlerfreie und korrekte
Rechtsanwendung, sondern nur qualifizierte Verletzungen des Rechts oder schwerwiegende
Verletzungen des Gerechtigkeitsgebotes stellen Willkür dar".
2987 In seinem Urteil vom 1. April 1999, OG-C 471/95-57, LES 4/1999 S. 246 hat der OGH die
Wortwahl des Staatsgerichtshofes in Bezug auf den Tatbestand der Willkür mehr oder weni-
ger übernommen, wenn es heisst, dass die Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungs-
behórde, die ,vom Ermessen" abhánge, ,nur zum Eintritt der Amtshaftung führen (kann),
wenn sie als grob sachwidrig und damit als unvertretbar zu qualifizieren ist" (Kursivstellung
durch den Verfasser). Siehe zur Willkürrechtsprechung des Staatsgerichtshofes Hoch (Grund-
rechtsprechung) S. 74ff sowie Thürer (Gerechtigkeit) S. 101ff.
2988 Hoch (Grundrechtsprechung) S. 67.
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