Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

2.3.1.3 
Vor diesem Hintergrund wandelt sich die Art und Weise, wie 
die Sorgfalt im Verhalten eines öffentlichen Rechtsträgers unter dem 
AHG zu beurteilen ist, von einem objektiven in einen subjektiven Be- 
fund: Nicht das (objektiv festzustellende) Ausmass der in Frage ste- 
henden Diskrepanz zwischen der Position des öffentlichen Rechts- 
trägers und dem geltenden Gesetzes- oder Richterrecht ist entschei- 
dend, sondern die (subjektiv abzuschátzende) Frage, ob sich der óf- 
fentliche Rechtstráger auf den ihm vom OGH zur Verfügung ge- 
stellten ,Vertretbarkeitsvorbehalt' nach Treu und Glauben berufen 
kann2979. 
Die Praxis des OGH zum AHG besitzt damit zwei Wesens- 
merkmale: Zum einen die Auflösung der beiden Amtshaftungsvoraus- 
setzungen des Verschuldens und der Widerrechtlichkeit im Kriteri- 
um der ,Vertretbarkeit und zum anderen die einem öffentlichen 
Rechtstráger in Form eines Gutglaubensbeweises offen stehende Be- 
freiungsmóglichkeit. 
Vereinbarkeit mit der Praxis des EFTA-Gerichtshofes zur Staatshaf- 
tung 
Diese, vom OGH geschaffene Ausgangslage ist der Staatshaftungs- 
voraussetzung einer hinreichend schweren Verletzung von EWR- 
Recht gegenüberzustellen, und zwar vor allem im Zusammenhang 
mit dem ,Vertretbarkeitsvorbehalt, den der OGH óGOffentlichen 
Rechtsträgern zur Verfügung gestellt hat. Ob diese Voraussetzung 
(jene der hinreichend schweren Verletzung von EWR-Recht) erfüllt 
ist, hat zwar jene Instanz zu entscheiden, vor der der Staatshaftungs- 
anspruch anhángig gemacht worden ist und der eine Berücksichti- 
gung jener Faktoren obliegt, die der EFTA-Gerichtshof in Sveinbjórns- 
dóttir und in Karlsson in einer Reihe von Beispielen vorgegeben 
hat?990, In Verbindung mit der Praxis des OGH sind diese Faktoren 
jedoch alles andere als abschliessend; sie kónnen durch weitere 
rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte ergänzt werden, die sich 
2979 In seinem Urteil vom 1. April 1999, OG-C 471/95-57, LES 4/1999 S. 246 hat der OGH diese 
Trennlinie denn auch gezogen, indem er darauf hingewiesen hat, dass ,keineswegs jede ob- 
jektiv unrichtige Entscheidung einer Verwaltungsbehórde oder eines Gerichts einen Amts- 
haftungsanspruch (begründet). Ein solcher Amtshaftungsanspruch setzt vielmehr ein Ver- 
schulden des Organs voraus“. 
2980 Siehe hierzu die Rdziff. 69 des Gutachtens des EFTA-Gerichtshofes in der Rs E-9/97, 
Sveinbjörnsdöttir, REC 1998 S. 113 sowie die Rdziff. 38 des Gutachtens des EFTA- 
Gerichtshofes in der Rs E-4/01, Karlsson, REC 2002 S. 251. 
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