Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

a) OG-C 471/95 
Im Rahmen dieser Praxis hat der OGH in einem Erkenntnis 
vom 5. Februar 1998, OG-C 471/95, die Bedingungen genannt, unter 
denen kein Verschulden und Keine Widerrechtlichkeit vorliegt, obwohl 
der óffentliche Rechtstráger im Zuge des Gesetzesvollzugs ,eine an 
sich unrichtige ... Rechtsauffassung"?963 vertreten hat. Eine solche — 
eine unrichtige Rechtsauffassung — ist das typische Merkmal judikativen 
oder administrativen Unrechts: Aufgrund der einem Gerichtsurteil oder 
einem Verwaltungsakt zugrunde liegenden unrichtigen Rechtsausle- 
gung und -anwendung ist einem Dritten — z.B. in Form einer Be- oder 
Verhinderung der Aufnahme und Ausübung einer selbständigen 
Erwerbstátigkeit?98^ — ein Schaden entstanden. 
Auf die vom OGH in OG-C 471/95 genannten Bedingungen 
für eine Nicht-Erfüllung der beiden Amtshaftungsvoraussetzungen 
des Verschuldens und der Widerrechtlichkeit ist einerseits deshalb 
einzugehen, weil das AHG einen Amtshaftungsanspruch nur dann 
anerkennt, wenn alle Amtshaftungsvoraussetzungen erfüllt sind?965, 
Andererseits scheint zwischen diesen Bedingungen und dem Kriteri- 
um der ,hinreichend schweren Verletzung' von EWR-Recht bzw. mit 
den Faktoren, die für eine Beurteilung dieses Kriteriums nach 
Sveinbjórnsdóttir und. Karlsson ausschlaggebend sind?996, Affinitüt zu 
bestehen. 
In OG-C 471/95 hat der OGH zwar bestätigt, dass ein Amts- 
haftungsanspruch ein sowohl schuldhaftes als auch widerrechtliches 
Organverhalten zur Voraussetzung hat. In einem Amtshaftungs- 
verfahren sei jedoch ,nicht etwa wie im Rechtsmittelverfahren zu 
prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig ist, sondern ob sie 
auf einer vertretbaren Gesetzesauslegung bzw. Rechtsauffassung beruht. 
Eine an sich unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsauffassung lóst 
selbst dann keinen Amtshaftungsanspruch aus, wenn sie mit der bis- 
herigen Judikatur nicht in Einklang steht oder von der hóheren In- 
stanz nicht gebilligt wurde; es geht hier darum, dem Rechtsanwen- 
der nicht allzu strenge Fesseln anzulegen und die Rechtsauslegung 
lebendig zu erhalten. Nur wenn die Entscheidung von einer völlig ein- 
deutigen Gesetzeslage oder ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung 
2963 Beschluss des OGH vom 5. Februar 1998, OG-C 471/95, LES 4/1998 S. 233. 
2964 Siehe hierzu unten Pkt. 2.3.1.3. 
2965 Siehe hierzu oben Pkt. 2.2.2. 
2966 Siehe hierzu oben Pkt. 2.2.1 sowie Nuener S. 188: Alle drei Amtshaftungsvoraussetzungen 
zielen ,in die gleiche Richtung". 
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