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Dass die Zeit für eine zweite Bestandesaufnahme gekommen
ist, ergibt sich aber auch aus den folgenden beiden Gründen:
* Sie ergibt sich aus der Notwendigkeit, sich immer wieder Re-
chenschaft über jene Fragen abzulegen, die sich aus der inter-
nationalen Stellung Liechtensteins ergeben und bei denen es
sich für einen Kleinstaat wie Liechtenstein um eine Lebens-,
wenn nicht gar um eine Überlebensfrage handelt. Dies gilt vor
allem dann, wenn die Antworten auf diese Fragen von innen
wie von aussen auf die Probe gestellt werden. „Das Recht” ist
nicht nur „die Macht des kleinen Staates"9; es ist immer auch
die einzige Macht des kleinen Staates.
e Weil sich das Vólker- und das Landesrecht immer mehr über-
schneiden, besteht Reflexionsbedarf aber auch im Interesse der
Rechtsunterworfenen: Zum einen muss staatliches Handeln
immer der Wohlfahrt der Einzelnen dienen!!. Zum anderen
gilt das Recht dem Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit - in
der zwischenstaatlichen Gemeinschaft ebenso wie in der in-
nerstaatlichen!?. Auch aus diesem Grunde ist das Verhältnis
zwischen dem Völker- und dem Landesrecht nach wie vor
(wenn nicht mehr denn je) „von grosser praktischer Bedeu-
tung” 13.
In jenen Tagen des Jahres 1997, in denen das Thema dieser
Dissertation Gestalt angenommen hat, ist die Frage des Verhältnisses
zwischen dem Völker- und dem Landesrecht auch in der Schweiz
von neuem aufgeworfen worden^. Die (fünf) Kardinalfragen, auf die
Batliner (Postulat) S. 225.
Siehe hierzu statt vieler Hoop S. 80ff m.w.H.
Die oberste Aufgabe des Staates ist die Fórderung der gesamten Volkswohlfahrt" (Art. 14
erster Satz LV).
Hier wie dort ist das Recht eine Voraussetzung für Ordnung und Fortschritt; siehe hierzu Art.
28 Abs. 3 LV (,Der Aufenthalt innerhalb der Grenzen des Fürstentums ... begründet den
Schutz nach der Verfassung und den übrigen Gesetzen") oder für die Lehre statt vieler Koh-
legger (Justiz) S. 44ff.
Batliner (Postulat) S. 223.
Siehe hierzu die beiden Ausgaben der NZZ Nr. 15/1997, S. 15, ,Die EMRK als Garantin für
ein freies Europa" und Nr. 19/1997, S. 15, , Verfassungsreform als Chance zur Selbstbestim-
mung". Im ersten Beitrag über ein Symposium zum Schutz der Menschenrechte in Basel
heisst es, dass „auf politischer Ebene neue Unsicherheiten über das Verhältnis zwischen Völ-
kerrecht und Landesrecht auszumachen (seien). Der bisherige Grundsatz der automatischen
Übernahme des Völkerrechts ins Landesrecht wurde durch parlamentarische Vorstösse in
Frage gestellt. Auch der prinzipielle Vorrang von Völkerrecht gegenüber jeder Art von Landes-
recht wird neu thematisiert“. Im zweiten Beitrag über „Die Präsidenten der parlamentarischen
Kommissionen zur Ausgangsposition“ erklärt der Baselbieter Ständerat Prof. Dr. Rene
Rhinow: „Es gibt für die Schweiz ... Themen, die rechtlich nicht antastbar sind: das zwingende
Völkerrecht beispielsweise, das wir nicht verletzen wollen und dürfen“.
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