Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

in Frage steht?9?!, In diesen Fállen hat sich dieses (das betreffende 
Andere Gericht) darüber bewusst zu sein, dass es vor einer Entschei- 
dung steht, die sich von der Normalität unter Art. 28 Abs. 2 StGH - 
der tatsächlichen oder vermeintlichen, gänzlichen oder teilweisen 
materiellen Verfassungswidrigkeit des Landesrechts — durch ihre „mögli- 
chen generellen Folgen für die Rechtssicherheit“??? unterscheidet. 
Dieser Unterschied ist der springende Punkt: Während die 
Normenkontrolle durch den Staatsgerichtshof, in deren Rahmen es in 
der Regel um die materielle Verfassungsmässigkeit des Landesrechts 
geht?9?3, nur eine oder mehrere Bestimmungen eines einzelnen for- 
mellen Gesetzes oder einer einzelnen Verordnung zum Gegenstand 
hat, gerät die Entscheidung über die formelle (nicht materielle) Verfas- 
sungsmüssigkeit des Volkervertragsrechts vor allem dann zu einer 
Schicksalsstunde von - unter den Bedingungen des Wirtschaftsver- 
tragsrechts — , hunderten von Erlassen"?9?^, wenn die Art und Weise 
der Kundmachung als einem ,horizontalen' bzw. ,strukturellen' Kriterium 
in Frage steht. Entscheidet ein Anderes Gericht über diese Frage ohne 
Anrufung des Staatsgerichtshofes?9?5, drohen einem ganzen Rechtsbe- 
stand (z.B. dem Wirtschaftsvertragsrecht) ohne weiteres jene Folgen, 
denen Anfang der achtziger und Mitte der neunziger Jahre des ver- 
gangenen Jahrhunderts nur noch mit zwei (im wesentlichen gleich- 
lautenden) ,,Notstandstat(en)"?9?6 in Form von mehr oder weniger 
fragwürdigen ,Appellentscheidungen"?9?/ des Staatsgerichtshofes 
begegnet werden konnte?9?8: Es droht eine wenn auch nicht de jure-, 
so doch de-facto-Ausserkraftsetzung eines ganzen Rechtsbestandes we- 
gen eines einzelnen Anlassfalles. 
Es sind allem Anschein nach diese „möglichen generellen Fol- 
gen für die Rechtssicherheit^2629 gewesen, die den Staatsgerichtshof 
2621 Siehe hierzu das 24. Kapitel Pkt. 3.2. 
2622 StGH 1982/36, LES 4/1993 S. 110. 
2623 Siehe hierzu oben Pkt. 3.2.1. 
2624 Waschkuhn (Justizrechtsordnung) S. 43. 
2625 Siehe hierzu die sowohl formell als auch materiell zutreffenden Überlegungen des Beschlus- 
ses des OGH vom 2. Juni 1978, OG 76/77-23, LES 1981 S. 118ff. 
2626 Becker (2. Teil) S. 116. 
2627 Siehe zur zutreffenden Kritik an den sog. ,Appellentscheidungen' Wille (Normenkontrolle) S. 
322ff. 
2628 Bildhaft gesprochen besteht in diesen Fällen die Gefahr, dass ein solcher Befund eines 
Anderen Gerichtes das Eigenleben eines Fiebererregers entwickelt, der sich über den An- 
lassfall hinaus wie eine Epidemie ausbreitet und andere, gleichzeitig anhängige Verfahren in- 
sofern infiziert, als das austauschbare Merkmal der Art und Weise der Kundmachung in ei- 
nem Analogieschluss zum Schreckgespenst der Infragestellung eines ganzen Rechtsbe- 
standes führt. 
2629 StGH 1982/36, LES 4/1993 S. 110. 
478
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.