Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

3.3.2 
trolle durch den Staatsgerichtshof zu veranlassen?8!0, und damit 
über den Rechtsschutz- und Rechtssicherheitsanspruch der Einzelnen 
ebenso wie über die Effizienz und Effektivitát der Judikative — und 
damit des Rechtsweges überhaupt. In welchen Fállen und unter wel- 
chen Voraussetzungen kann bzw. muss der Staatsgerichtshof in sei- 
ner Funktion als Normenkontrollgerichtshof, d.h. mit dem Ziel einer 
Beseitigung (vermeintlich) verfassungs- oder volkervertragsrechtswidrigen 
Landesrechts angerufen werden? 
Lehre 
Aus der Kontroverse in der Lehre ist zu schliessen, dass eine Antwort 
auf die Frage, ob die Anderen Gerichte de lege?8!1 Iata nur ein Vorla- 
gerecht oder ob sie auch eine Vorlageyflicht besitzen?81?, aus Art. 28 
Abs. 2 StGHG nicht ohne weiteres abgeleitet werden kann. Wahrend 
Wille unter Berufung auf den Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 StGHG nur 
ein Vorlagerecht anerkennt, vertritt Schurti?6!3 auf der Grundlage ein 
und desselben Wortlautes der Tendenz nach eine Vorlagepflicht. 
In der Sache selbst bezieht sich dieser Streit auf den Normalfall 
der Normenkontrolle, d.h auf jene Fälle, in denen die materielle Ver- 
fassungsmüssigkeit des Landesrechts in Frage steht?9!^, Welchen Stand- 
punkt hat der Staatsgerichtshof zu dieser Frage eingenommen? 
2610 Sieht ein Anderes Gericht in einem Anlassfall von einer Vorlage der Frage der Verfassungs- 
mássigkeit an den Staatsgerichtshof ab, steht der davon betroffenen Partei ,gegen die letztin- 
stanzliche Entscheidung" die Móglichkeit einer , Verfassungsbeschwerde" (Grundrechtsrüge) 
als dem verfassungs- und gesetzmássigen Weg offen, ,die Anwendung einer als verfas- 
sungswidrig behaupteten Vorschrift zu bekämpfen“; siehe hierzu StGH 1993/6, LES 2/1994 S. 
45. In StGH 1993/15, LES 2/1994 S. 58 heisst es: „Erachtet“ ein Anderes Gericht „den Vorhalt 
der Verfassungswidrigkeit nicht als gerechtfertigt, steht bei abgelehnter Anrufung ... der Partei 
die Beschwerde an den StGH wegen Anwendung einer als verfassungswidrig erachteten Be- 
stimmung offen, der Rechtsschutz und das Beschwerderecht im Sinne Art 43 LV sind voll ge- 
wahrt“. Einen anderen Tenor weist StGH 1998/3, LES 3/1999 S. 172 auf, wo „aus dem Blick- 
winkel der Verfahrensökonomie“ darauf hingewiesen wird, dass „es wenig Sinn macht, dass 
eine Letztinstanz ihre E auf nach ihrer eigenen Rechtsauffassung voraussichtlich verfas- 
sungswidrige Normen abstützt und der betroffenen Partei damit die Erhebung einer Verfas- 
sungsbeschwerde geradezu aufzwingt“. 
2611 De lege und nicht de constitutione lata: Siehe hierzu Wille (Normenkontrolle) S. 188, wonach 
der Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 StGHG einer ,rechtspolitischen Frage" entspricht, ,die der 
Gesetzgeber nach seinen Vorstellungen, für die ihm die Verfassung einen Gestaltungsspiel- 
raum überlassen hat, geklàrt und entschieden hat" (Kursivstellung durch den Verfasser). 
2612 Siehe hierzu Wille (Normenkontrolle) S. 183ff, vor allem S. 187ff, und Schurti (Verordnungs- 
recht) S. 383ff. 
2613 Schurti (Verordnungsrecht) S. 385. 
2614 Siehe hierzu oben Pkt. 3.2. 
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