... Gegebenenfalls ist die geprüfte Norm aufzuheben, unabhängig
davon, ob sie in ein Grundrecht eingreift oder nicht“?2602
Der Effekt dieser Erklärung besteht vor allem darin, dass der
Staatsgerichtshof die Möglichkeit einer ‚Popularklage’ (die von seiner
Praxis in StGH 1999/14 und in StGH 2000/33 im Sinne einer ‚selb-
stándigen' Anfechtungsmóglichkeit suggeriert worden war?903) in
aller Form ausgeschlossen hat. Die Option einer (vom Statsgerichtshof
so bezeichneten) ,Normenkontrollrüge' besteht nicht ohne weiteres;
mit diesem Ergebnis ist weder StGH 1999/14 noch StGIH 2000/33 zu
verstehen. Eine ,Normenkontrollrüge' i.S.d. der Praxis des Staatsge-
richtshofes in StGH 1999/14 und in StGH 2000/33 ist vielmehr nur im
Rahmen eines ,Verfassungsbeschwerdeverfahrens' móglich, d.h. nur im
Zuge einer Verfassungsbeschwerde (Grundrechtsrüge)?90^, Ist eine
solche erhoben worden, liegt die Erleichterung, zu der es durch StGH
1999/14 und durch StGIH 2000/33 gekommen ist, einzig und allein
darin, dass die Normenkontrolle durch den Staatsgerichtshof auch
ohne eine gleichzeitige bzw. zusützliche Erhebung einer Verfassungsbe-
schwerde (Grundrechtsriige) wie z.B. in Form einer Willkürbeschwerde
bzw. —riige beantragt werden kann.
Für den Zugang zum Staatsgerichtshof in seiner Funktion als
Normenkontrollgerichtshof bedeutet dies vor allem, dass eine Über-
prüfung der Verfassungsmässigkeit (des Landesrechts) nicht nur im
Geltungsbereich der von der LV (oder von der EMRK) garantierten
Grundrechte oder im Rahmen einer Willkürprüfung (d.h. durch die
Erhebung einer Willkürbeschwerde bzw. -rüge) beantragt werden
muss, sondern ,in freier Kognition"?905 erfolgt. In Normenkontroll-
verfahren gehórt — zumindest der Móglichkeit nach — eine jede Be-
stimmung des (geschriebenen oder ungeschriebenen) Verfassungs-
rechts zu jenem Prüfungsmasstab, an dem die Verfassungsmässigkeit
(des Landesrechts) überprüft wird. Unter den Voraussetzungen von
Art. 24 Abs. 3 StGHG und von Art. 25 Abs. 1 StGHG kann es dabei
auch zu einer Überprüfung von Antes wegen kommen?906,
2602 StGH 2002/84, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 17 des Entscheidungstextes
(Kursivstellung durch den Verfasser).
2603 Siehe hierzu das 21. Kapitel Pkt. 2.3.
2604 Diese Rechtslage wird durch den Staatsgerichtshof in StGH 2002/84, n. publ., Pkt. 2.1 der
Entscheidungsgründe, S. 17 des Entscheidungstextes durch die Verwendung des Wortes ,in-
Soweit' hervorgehoben.
2605 StGH 2002/84, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 17 des Entscheidungstextes
(Kursivstellung durch den Verfasser).
2606 Siehe hierzu StGH 1997/13, n. publ., Pkt. 2.1 der Entscheidungsgründe, S. 16 des Entschei-
dungstextes.
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