desrecht am ‚Geist’ und in StGH 1988/10 am ,Grundsatz' eines vól-
kerrechtlichen Vertrages gemessen?593,
Zu diesem Ergebnis — der Irrelevanz der Art der Anwendbar-
keit vólkerrechtlicher Vertráge in ihrer Funktion als Prüfungsmasstab
der Normenkontrolle — führt aber auch jener Ansatz, der in dieser
Dissertation als ein Fundament des Vorrangprinzips gewählt worden
ist: Wird dieses Prinzip aus der Verfassungsgewühr und damit aus Art.
114 LV abgeleitet, besteht kein Grund dafür, zwischen mittel- und
unmittelbar anwendbarem Verfassungs- (oder Vólkervertrags-)Recht
zu unterscheiden; wenn das in Art. 114 LV verankerte Konfliktló-
sungssystem vom Tatbestand eines (Norm-)Widerspruchs zu einer
,ausdrücklichen Bestimmung der gegenwártigen Verfassungsur-
kunde” ausgeht, dann kann eine solche ‚ausdrückliche Bestimmung’
— kommt das Vôlkervertragsrecht als Prüfungsmasstab der Normen-
kontrolle zum Zuge — auch in einem nur mittelbar anwendbaren völker-
rechtlichen Vertrag enthalten sein. Dies ist unter anderem auch des-
halb der Fall, weil das Kriterium der ,Ausdrücklickeit' auch: von einer
nur mittelbar anwendbaren Bestimmung (des Verfassungs- oder des
Vólkervertragsrechts) erfüllt werden kann.
Für die Anderen Gerichte bedeutet dies, dass sie in den Fällen
eines Konfliktes zwischen dem Landes- und dem Völkervertrags-
recht nicht danach zu unterscheiden haben, ob die in Frage stehende
Bestimmung des Völkervertragsrechts unmittel- oder ob sie nur mit-
telbar anwendbar ist. Ihr Verhältnis zum Staatsgerichtshof ist unter
Art. 28 Abs. 2 StGHG (Vorlagerecht oder Vorlagepflicht?)?59^ in bei-
den Fällen ein und dasselbe; in beiden Fällen (d.h. in den Fällen eines
Widerspruches zwischen Bestimmungen des Landes- und des un-
mittel- oder nur mittelbar anwendbaren Völkervertragsrechts) ist
sowohl die Tatsache eines Normwiderspruches als auch die Notwen-
digkeit anzuerkennen, auf der Grundlage und als Folge dieses Um-
standes ein Normenkontrollverfahren einzuleiten. Zwischen echten
und verdeckten Konflikten?995 besteht unter Art. 28 Abs. 2 StGHG also
kein Unterschied. Über die Vólkervertragsmássigkeit des Landes-
ren. Dies ist in StGH 1993/18 und 1993/19, LES 2/1994 S. 58 in Bezug auf das ERHÜ und in
StGH 1998/10, LES 4/1999 S. 225 in Bezug auf die Europäische Charta vom 15. Oktober
1985 der kommunalen Selbstverwaltung, LGBI. 1988 Nr. 21; LR 0.140.1, geschehen.
2593 Siehe hierzu StGH 1994/26, LES 4/1996 S. 200 und StGH 1998/10, LES 4/1999 S. 225.
2594 Siehe hierzu unten Pkt. 3.3.
2595 Siehe hierzu das 17. Kapitel Pkt. 2.2.
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