Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

des Staatsgerichtshofes zur Normenkontrolle also ohne weiteres be- 
gründen. 
Diese Erweiterung der verfassungs- und gesetzmässigen Zu- 
ständigkeitsordnung um eine Überprüfung des Landesrechts (for- 
melle Gesetze und Verordnungen) nicht nur auf seine Verfassungs-, 
sondern auch auf seine Völkervertragsrechtsmässigkeit entspricht ei- 
nem Quantensprung: Für eine Beurteilung der Rechtmässigkeit von 
Landesrecht auf der Rechtsquellenstufe eines formellen Gesetzes 
oder einer Verordnung sind nicht nur die LV, sondern — und zwar 
mit ein und derselben Autoritát — auch die von Liechtenstein abgeschlos- 
senen vôlkerrechtlichen Verträge massgebend: In StGH 1989/9 hat der 
Staatsgerichtshof das Vólkervertragsrecht in das Rechtsschutz- und 
Rechtssicherheitssystem der Normenkontrolle als einen gleichwerti- 
gen und -berechtigten Prüfungsmasstab integriert. In StGH 1989/9 
sind die beiden rechtsstaatlichen Postulate und Prinzipien der Ver- 
fassungs- und der Vôlkervertragsrechtsmässigkeit einander institu- 
tionell gleichgestellt worden. 
c) StGH 1990/17 
In StGH 1990/17 hat der Staatsgerichtshof von seiner Praxis in 
StGH 1989/8 zum ersten Mal Gebrauch gemacht und ,vorweg” ge- 
prüft, „ob schon gegen die generelle gesetzliche Regelung ... Beden- 
ken hinsichtlich der Grundsätze von Art 6 EMRK ... bestehen“2406, 
Ebenso wie in StGH 1989/8 hat der Staatsgerichtshof damit auch in 
StGH 1990/17 die Vereinbarkeit eines formellen Gesetzes mit einem 
Staatsvertrag (der EMRK) und damit mit dem Völkervertragsrecht 
überprüft, und zwar — ein weiteres Mal — nicht unter Art. 23 Bst. b 
StGHG, sondern unter Art. 24 Abs. 3 StGHG. Im Anlassfall hat der 
Staatsgerichtshof erklärt, dass „die Regelung ... den Anforderungen 
von Art 6 EMRK entspricht“2407, 
Solche Beispiele einer Überprüfung von Landesrecht auf der 
Rechtsquellenstufe eines formellen Gesetzes an der EMRK ebenso 
wie an anderen mindestens gleich- oder höherrangigen völkerrechtlichen 
Verträgen finden sich in der Praxis des Staatsgerichtshofes bis in die 
jüngste Zeit?408, so zuletzt in StGH 2001/12. In diesem Erkenntnis ist 
8 97a StPO (unter anderem) wegen inhaltlicher (, materieller") Unver- 
2406 StGH 1990/17, LES 1/1992 S. 17. 
2407 StGH 1990/17, LES 1/1992 S. 18. 
2408 Siehe in Bezug auf die EMRK StGH 1999/13, n. publ., Pkt. 4.2 der Entscheidungsgründe, S. 
11 des Entscheidungstextes, und in Bezug auf andere mindestens gleich- oder hóherrangige 
völkerrechtliche Verträge StGH 1998/10, LES 4/1999 S. 225. 
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