Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Anwendungsbereich haben"?309; echte Konflikte setzen eine Situation 
voraus, in der zwei oder mehrere Bestimmungen (des Völkerver- 
trags- und des Landesrechts) für ein und denselben Sachverhalt un- 
terschiedliche Regelungen treffen. 
Nicht jeder Normwiderspruch ist als ein echter Konflikt zu 
qualifizieren. Eine Voraussetzung dafür, dass von diesem Tatbestand 
auszugehen ist, besteht in einem konkurrierenden Geltungs- und An- 
wendungsanspruch der an ihm beteiligten Bestimmungen (des Völker- 
vertrags- und des Landesrechts); es muss sich um Umstände han- 
deln, unter denen das betreffende Vollzugsorgan zwei verschiedenen 
,Handlungsanweisungen' ausgesetzt ist, die vollziehbar sind (Voll- 
zugsbefehle) und deren Berücksichtigung zu unterschiedlichen Ergeb- 
nissen (zu unterschiedliechen Rechtsfolgen) führt. Kein konkurrieren- 
der Geltungs- und Anwendungsanspruch besteht z.B. dann, wenn 
die an einem Normwiderspruch beteiligten Bestimmungen - was an 
der Schnittstelle zwischen dem Vólkervertrags- und dem Landes- 
recht in der Regel und unter vólkerrechtlichen Verträgen unter Um- 
stünden der Fall ist?310 — im Verháltnis einer lex specialis zueinander 
stehen??!! oder wenn sie, einzeln oder gemeinsam, keine Rechtskraft 
i.S.v. Art. 14 und 15 KmG (keine Verbindlichkeit und keine Wirkun- 
gen für den Einzelnen) besitzen?3?, 
Im Verháltnis zwischen dem Vólkervertrags- und dem Lan- 
desrecht setzt der Tatbestand eines echten Konflikts voraus, dass die 
an ihm beteiligte Bestimmung des Vólkervertrags- im Landesrecht 
nicht mittel-, sondern unmittelbar anwendbar ist?3!3, d.h. dass sie eine 
2309 Epiney (Primat) S. 542. Siegenthaler S. 208 charakterisiert echte Konflikte zwischen dem 
Vólkervertrags- und dem Landesrecht mit einer Situation, in der ,ein eindeutig materialer Wi- 
derspruch zweier Normen" besteht, der ,nicht durch Auslegung beseitigt werden (kann). 
2310 Hangartner (Vólkerrecht) S. 670. 
2311 Epiney (Primat) S. 542 oder Hangartner (Vôlkerrecht) S. 670. Der Praxis des OGH sind eine 
Reihe von Beispielen zu entnehmen, in denen der OGH in den Fállen einer Geltungs- und 
Anwendungskonkurrenz zweier vólkerrechtlicher Vertráge auf die klassische Derogationsregel 
der /ex specialis zurückgegriffen hat; siehe hierzu den Beschluss vom 30. November 1981, 2 
C 127/81-29, LES 1982 S. 176ff oder den Beschluss vom 31. Marz 1987, 2 C 326/86-9, LES 
1989 S. 80ff. 
2312 Siehe hierzu das 11. Kapitel Pkt. 2. In Bezug auf Vélkervertragsrecht, das im Landesrecht — 
vor allem als sog. soft law — von vornherein keinen Geltungs- und Anwendungsanspruch er- 
hebt bzw. Rechtskraft besitzt, kann ein echter Konflikt von vornherein nicht entstehen. Sol- 
ches ,Vólkervertragsrecht' bildet keine rechtssetzende Vorschriften (Rechtsvorschriften) i.S.v. 
Art. 1 KmG bzw. solche mit Rechtskraft i.S.v. Art. 14 und 15 KmG. Beispielhaft sei auf die 
„Rechtsakte, die die Vertragsparteien zur Kenntnis nehmen“ i.S.d. Anhänge des EWRA 
(EWR-Sekundärrecht) verwiesen, aber auch auf den Bestand an (politischen) Absichtserklä- 
rungen, Empfehlungen, Deklarationen, Handlungsprogrammen oder (technischen) Normen 
und Standards etc., der dem Völkervertragsrecht im weitesten Sinne zuzuschreiben ist. 
2313 Siehe hierzu das 16. Kapitel Pkt. 4 sowie unten Pkt. 2.2. 
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