Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

5.1.1.1 
Andere Gerichte 
Wenn Batliner den Anderen Gerichten die Zuständigkeit und damit 
auch das Recht und die Pflicht zu einer Auslegung völkerrechtlicher 
Verträge in jenen Fällen zuweist, in denen diese „nicht umhin (kom- 
men), Staatsverträge in ihrer innerstaatlichen Wirksamkeit mittelbar 
einer Kontrolle über Gültigkeit, Inhalt und Umfang zu unterzie- 
hen“2088, ;st dies aufgrund von StGH 1982/36 einerseits und auf- 
grund von StGH 1993/18 und 1993/19 andererseits mit der Rechtsla- 
ge, wie sie sich aus der Praxis des Staatsgerichtshofes in jüngster Zeit 
ergibt?089, nicht zur Gànze zu vereinbaren: Aufgrund dieser Praxis, 
auf die im 19. Kapitel eingegangen wird, ist davon auszugehen, dass 
die Anderen Gerichte ein bei ihnen anhàángiges Verfahren dann, 
wenn sie Bedenken (,ernsthafte Zweifel) an der Vólkervertrags- 
rechtsmässigkeit des Landesrechts haben, zu unterbrechen und diese 
Frage (aufgrund von Art. 28 Abs. 2 StGHG) dem Staatsgerichtshof 
zur Prüfung vorzulegen, d.h. ein Normenkontrollverfahren einzu- 
leiten haben?090, 
In seiner Praxis hat der Staatsgerichtshof den Radius der An- 
deren Gerichte in dieser Schlüsselfrage in der Tat eingeschränkt: Auf- 
grund von StGH 1982/36 einerseits und aufgrund von StGH 1993/18 
und 1993/19 andererseits ist es diesen (den Anderen Gerichten) un- 
tersagt, an völkerrechtlichen Verträgen, die sie in einem Anlassfall zu 
vollziehen haben und die mit dem Landesrecht in einem Normwi- 
derspruch stehen (der im Übrigen kein echter Konflikt sein muss?09!), 
eine wie auch immer geartete ,,Geltungsprüfung"?09? vorzunehmen. 
In diesen Fällen verbietet es ihnen die Ausscheidung und Aufteilung 
der Zuständigkeit im Bereich der Normenkontrolle, eine ‚Vorfrage- 
entscheidung’ über die Gültigkeit, den Inhalt und den Umfang?093 
des betreffenden vólkerrechtlichen Vertrages zu treffen. 
Im Verhältnis zwischen den Anderen Gerichten und dem 
Staatsgerichtshof ist eine solche Vorfrageentscheidung kein Akt der 
Auslegung, sondern eine Qualifikation der Rechtskraft des Völkervertrags- 
in seinem Verhältnis zum Landesrecht. Dieser Schritt ist dem Staatsge- 
2088 Batliner (Schichten) S. 196. 
2089 Siehe hierzu das 18. Kapitel Pkte. 3 und 4. 
2090 Siehe hierzu das 19. Kapitel Pkt. 3.3. 
2091 Siehe hierzu das 19. Kapitel Pkt. 3.2.2. 
2092 StGH 1993/18 und 1993/19, LES 2/1994 S. 58. 
2093 Die diese Dreiheit von Attributen enthaltende Formulierung stammt von Batliner (Schichten) 
S. 296. 
391
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.