abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge ohne weiteres vorbehält
(mit Ausnahme der Staatsvertráge").
In der Tat: Art. 1 des Bereinigungs-Gesetzes ist so zu verste-
hen, dass der Landtag — im Zuge der von dieser Bestimmung ange-
ordneten Rechtsbereinigung - die von Liechtenstein abgeschlossenen
vôlkerrechtlichen Verträge (Staatsverträge) im Sinne des Vorrangprin-
zips ohne wenn und aber schützen und ihre Unantastbarkeit von vorn-
herein ausser Frage stellen wollte!9^9, Andere Auslegungsergebnisse
sind zwar móglich!9?^7, im Vergleich zu diesem jedoch sehr viel we-
niger nahe liegend. Mit Art. 1 des Bereinigungs-Gesetzes sollte der
Tatsache Rechnung getragen werden, dass an der Rechtskraft der
von Liechtenstein in der Zeit vor dem Inkrafttreten der Verfassung
vom 26. September 18621948 abgeschlossenen vólkerrechtlichen Ver-
tráge auch im Rahmen einer Rechtsbereinigung unter keinen Umstün-
den zu rütteln ist.
Mit diesem Verständnis lässt sich aber auch aus Art. 1 des Be-
reinigungs-Gesetzes auf eine Anerkennung des Vorranges des Vól-
kervertrags- vor dem Landesrecht schliessen: Mit diesem Erlass hat
der Landtag nicht nur der Rechtsstaatsgewáhr entsprochen, sondern
auch dem Vorrangprinzip.
Fazit und Ausblick
4.2.1 Fazit
Auf der Grundlage der Verfassung vom 5. Oktober 1921 ist festzu-
stellen, dass sich der Staatsgerichtshof für einen Vorrang des Vólker-
vertrags- vor dem Landesrecht entschieden hat. Das Vorrangprinzip
bildet nicht nur eine (Rechts-)Folge des Verhältnisses zwischen dem
Vólkervertrags- und dem Landesrecht in einem technischen Sin-
1946 Siehe hierzu Kálin S. 56f für die (analoge) Rechtslage in der Schweiz: „Offensichtlich aner-
kannte damit der Verfassungsgeber Weitergeltung und Primat des Vólkerrechts auch im
Rahmen der neuen Verfassung".
1947 Aus dem Wortlaut von Art. 1 des Bereinigungs-Gesetzeses kónnte unter Umstánden ge-
schlossen werden, dass sich der (sachliche) Geltungsbereich dieses Gesetzes von vornher-
ein (nur) auf Rechtsvorschriften des Landesrechts und, aus diesem Grunde, nicht (auch) auf
die von Liechtenstein abgeschlossenen Staatsvertráge und damit (auch) auf das Vôlkerver-
tragsrecht bezieht. Unter der Annahme dieses Auslegungsergebnisses kónnte Art. 1 des Be-
reinigungs-Gesetzes deshalb von vornherein keine Aussage über einen Vorbehalt zu Gun-
sten des Vólkervertragsrechts entnommen werden, weil das Vôlkervertragsrecht von seinem
(sachlichen) Geltungsbereich von vornherein ausgeschlossen wáre.
1948 Siehe hierzu das 4. Kapitel Pkt. 2.3.
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