Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

anzuerkennen, dass es sich bei diesem Grundsatz um einen Imperativ 
handelt, der sich sowohl aus dem Völkervertrags-1857 als auch aus 
dem Landesrecht !858 ergibt und der ein Strukturprinzip der liechten- 
steinischen Verfassungsordnung bildet!899 — dies im Unterschied zu 
den von Wille als ,,Rechtssátze des (einfachen) Gesetzgebers"!890 be- 
zeichneten Rechtsvorschriften. 
Das Vorrangprinzip gilt fiir alle Staatsorgane (d.h. für den Lan- 
desfürsten, für die Regierung unter Einschluss der Liechtensteini- 
schen Landesverwaltung, der Gemeinden und der sonstigen Ein- 
richtungen des óffentlichen Rechts, für den Landtag und für die 
Gerichte) auf der Stufe der Gesetzgebung ebenso wie auf jener des 
Vollzugs!86! nicht nur im Sinne eines Reclits, sondern im Sinne einer 
Pflicht1862 und unabhängig von der Art der Anwendbarkeit des in 
Frage stehenden vólkerrechtlichen Vertrages!892, In der Frage nach 
dem Vorrang des Vólkervertrags- vor dem Landesrecht ist Thürer zu 
folgen und aus vólkerrechtlichen!86^ ebenso wie aus landesrechtli- 
chen!865 Gründen bzw. aus einer Verbindung dieser beiden Argu- 
mentationslinien!866 festzustellen, dass ,angesichts des konstituti- 
ven, prágenden Stellenwerts der Vólkerrechtsordnung für die Staat- 
lichkeit Liechtensteins, ja der für den Kleinstaat Liechtenstein le- 
bensnotwendigen Einbindung ins Vólkerrecht ... von einem generel- 
len Primat des Vólkerrechts gegenüber der gesamten — auch der spà- 
teren — Gesetzgebung auszugehen (ist)^1867, Jede andere Deutung 
würde nicht nur der Tendenz, sondern auch dem Effekt widerspre- 
chen, den die Praxis des Staatsgerichtshofes trotz ihrer Mehrdeutigkeit 
nach sich gezogen hat. Der Vorrang des Vólkervertrags- vor dem 
Landesrecht bildet denn auch eine der Konstanten der Gesetzge- 
1857 Art. 26 und 17 WVRK. 
1858 Siehe hierzu unten Pkt. 4.1.3. 
1859 Siehe für die schweizerische Lehre unter der alten BV Hangartner (Völkerrecht) S. 661: „Der 
Vorrang des Völkerrechts ... ist wie der Grundsatz der Adoption ungeschriebenes Verfas- 
sungsrecht“. 
1860 Wille (Normenkontrolle) S. 285. 
1861 Siehe hierzu das 18. Kapitel Pkt. 3 sowie das 19. Kapitel Pkt. 2. 
1862 Davon, dass das Vorrangprinzip ein ‚Strukturprinzip’ der liechtensteinischen Verfassungsord- 
nung bildet, scheint (auch) die VBI auszugehen. So heisst es in VBI 1997/85, Jus&News 
2/1998 S. 191, das ,monistische System’ gehôre zum ‚landesinternen’ bzw. „zum liechtenstei- 
nischen Recht“. 
1863 Bundesamt für Justiz und Generaldirektion für Völkerrecht (Gemeinsames Gutachten) S. 421. 
1864 Siehe hierzu oben Pkt. 2.1. 
1865 Siehe hierzu unten Pkt. 4.1.3.1. 
1866 Siehe hierzu unten Pkt. 4.1.3.2. 
1867 Thürer (Vólkerrechtsordnung) S. 112 (Kursivstellung durch den Verfasser). 
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