Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

klärt worden ist, der zuvor wenn auch nicht explizit, so doch implizit 
festgestellte Vorrang des EWR- vor dem Landesrecht habe einzig 
und allein „dort seine Grenze ..., WO Grundprinzipien und Kernge- 
halte der Grundrechte der Landesverfassung tangiert würden“ 1853, 
Bestehen solche Berührungspunkte (‚Tangenten‘) zwischen dem Völ- 
kervertrags- und dem Landesrecht nicht, ist vom Vorrang des einen 
(des Völkervertragsrechts) vor dem anderen (dem Landesrecht) aus- 
nahms- und vorbehaltslos auszugehen. Dieser Argumentation folgt 
StGH 1998/61 auch an anderer Stelle 1854 
Was dies im Sinne einer Zwischenbilanz bedeutet, liegt auf der 
Hand: Vor diesem Hintergrund einer — wenn auch nur punktuell — 
ambivalenten Praxis zerbricht der Versuch, aus dieser (aus der Praxis 
des Staatsgerichtshofes) ein in sich widerspruchsfreies Ergebnis abzu- 
leiten; bis heute hat sich der Staatsgerichtshof zu einer nicht nur rela- 
tiven, sondern auch absoluten Bestätigung eines Vorrangs des Völker- 
vertrags- vor dem Landesrecht noch nicht durchgerungen. Und nicht 
nur dies: Bis in die jüngster Zeit hat der Staatsgerichtshof nicht damit 
gezögert, dem Völkervertragsrecht formelle oder materielle Staatsver- 
tragsschranken entgegenzuhalten. 
Diese Vorbehalte dürfen jedoch nicht überbewertet werden: An 
einer Feststellung der Tatsache, dass die Praxis des Staatsgerichtsho- 
fes auf dem Grundsatz eines Vorranges des Völkervertrags- vor dem 
Landesrecht beruht, führt kein Weg vorbei. Bei diesem Grundsatz 
handelt es sich um eine Konstante (auch der Praxis des Staatsge- 
richtshofes), deren Akzeptanz sicher- und deren Autoritát ausser Streit 
gestellt worden ist. Worauf der Staatsgerichtshof bis heute verzichtet 
hat, ist einzig und allein eine Absicherung im Sinne einer (sowohl 
rechtsdogmatischen als auch rechtssystematischen) Verankerung die- 
ses Grundsatzes in den Fundamenten der liechtensteinischen Verfas- 
sungsordnung. Ein Ansatz hierfür kann sowohl die Verfassungs- als 
auch die Rechtsstaatsgewühr sein, auf die unten unter den Punkten 
4.1.3.1 und 4.1.3.2. eingegangen wird 185, 
Also ist aufgrund der Praxis des Staatsgerichtshofes (ebenso 
wie in der Schweiz1959) von einem Vorrang des Vólkervertrags- vor dem 
Landesrecht im Sinne eines Grundprinzips nicht des geschriebenen, 
sondern des ungeschriebenen Verfassungsrechts auszugehen und 
1853 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 130. 
1854 StGH 1998/61, LES 3/2001 S. 129. 
1855 Siehe hierzu unten Pkte. 4.1.3.1 und 4.1.3.2. 
1856 Siehe für die unter der alten BV wohl herrschende schweizerische Lehre Kálin S. 58 und S. 
64, Epiney (Primat) S. 560f oder Hangartner (Vólkerrecht) S. 661. 
349
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.