Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Verordnungen'9/5, Unberücksichtigt bleibt — bei allen Vorbe- 
halten, die in diesem Zusammenhang anzubringen sind!3/6 — 
aber auch die Praxis des Staatsgerichtshofes in StGH 1985/1, 
nach deren Massgabe formelle Gesetze als Rechtsgrundlage 
für einen Erlass von Verordnungen im Geltungsbereich der 
Art. 28 Abs. 2 und 31 Abs. 3 LV von Verfassungs wegen ver- 
drängt werden 1377, 
Im Rahmen von Art. 92 Abs. 2 und 3 LV wirft die Verfassung 
vom 16. März 2003 sehr viel mehr Fragen auf als sie beantwortet. 
Dies ist vor allem deshalb zu bedauern, weil der Staatsgerichtshof 
das landes- und das völkervertragsrechtliche Verordnungsrecht in 
jüngster Zeit mehr oder weniger gleichgestellt hat!°78, Über den Hin- 
tergrund dieser Neuordnung sind nur Spekulationen môglich: Liegt ihr 
Sinn und Zweck darin, dem (mehr oder weniger unglücklich formu- 
lierten und auch aus diesem Grunde abzulehnenden) Postulat Hoops zu 
folgen, einen ,non self-executing Vertrag ... iS. der speziellen Trans- 
formation durch ein Gesetz an die staatliche Rechtsordnung“ 1979 an- 
zupassen? Wird also — wie dies auch andere Indizien im Zuge der 
sog. Verfassungsdiskussion nahelegen'8 — an eine Umkehrung des 
Verhältnisses zwischen dem Völkervertrags- und dem Landesrecht 
in einem technischen Sinne!38! gedacht!382? 
1375 Die Wahrscheinlichkeit, sich zwischen einem vólkerrechtlichen Vertrag und dem zu seiner 
Durchführung erlassenen Landesrecht Normwidersprüche ergeben, ist bei formellen Geset- 
zen vor allem deshalb grósser als bei Verordnungen, weil das Gesetzgebungsverfahren mit 
seinen Elementen der Vernehmlassung sowie der parlamentarischen Beratung in drei Lesun- 
gen der Möglichkeit einer sehr viel stärkeren Beeinflussung und Beeinträchtigung seiner 
Konformität mit dem Völkervertragsrecht ausgesetzt ist als dies im Rahmen das Verfahren 
der Verordnungsgebung der Fall ist; siehe hierzu Ritter (Gesetzgebungsverfahren) S. 71ff. 
1376 Siehe hierzu oben Pkt. 4.1.2. 
1377 Siehe zu den Umstànden, unter denen es zu diesem Effekt kommen kann, oben Pkt. 4.1.2. 
1378 Siehe hierzu StGH 2002/84, n. publ., Pkt. 2.2.1 der Entscheidungsgründe, S. 19 des Ent- 
scheidungstextes. 
1379 Hoop S. 202. 
1380 Siehe hierzu das 13. Kapitel Pkt. 5 und das 14. Kapitel Pkt. 6. 
1381 Siehe hierzu das 6. Kapitel Pkt. 3. 
1382 Bei einer jeden Revision des geltenden Rechts ist davon auszugehen, dass eine Anderung 
der bisherigen und die Begründung einer neuen Rechtslage angestrebt wird. Dies muss auch 
in Bezug auf die Revision von Art. 92 LV durch die Verfassung vom 16. März 2003 ange- 
nommen werden. Dabei stehen nicht alle Einzelheiten dieser Revision ausser Frage — wie 
anderswo auch, besteht auch hier Erklärungsbedarf. Die Tendenz dieser Revision liegt jedoch 
deshalb auf der Hand, weil ihre beiden Hauptstossrichtungen — die Einschränkung des ,un- 
mittelbaren’ völkervertragsrechtlichen Verordnungsrechts auf ‚unmittelbar anwendbare völker- 
rechtliche Verträge’ einerseits und die Bindung des ‚mittelbaren’ völkervertragsrechtlichen 
Verordnungsrechts an die vom Landtag erlassenen formellen Gesetze andererseits — den 
Spielraum der Regierung bei der Durchführung des Völkervertrags- im Landesrecht im Ver- 
gleich zur heute bestehenden Rechtslage (Praxis des Staatsgerichtshofes) einengen. Die in 
der Verfassung vom 16. März 2003 vorgesehenen Änderungen fallen insofern ins Auge, als in 
272
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.