Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

Gegenrecht!336 vorbehalten. Die Art. 28 Abs. 2 und 31 Abs. 3 LV, de- 
ren Anwendung von der Gegenseitigkeit abhángig ist!9?7, besitzen 
mehr als einen nur ,deklaratorischen Charakter“ 1338, 
An StGH 1985/1 gemessen würde diese Ausgangslage dazu 
führen, dass ein vólkervertragsrechtliches Verordnungsrecht in den 
Fállen und im Umfang der Art. 28 Abs. 2 und 31 Abs. 3 LV ohne jede 
Einschrünkung bestünde. Nochmals: Nach Massgabe von StGH 
1985/1 ist die Regierung ,zum Erlass von Verordnungen zur Durch- 
führung von Staatsvertrágen" dann ,ermáchtigt^ 1339, wenn ,die Ver- 
fassung ausdrücklich vorsieht, dass hinsichtlich einer bestimmten 
Materie das Staatsvertragsrecht ... gilt^1940, 
Das Beispiel des EWRA zeigt, dass dieses Verständnis äusserst 
weitreichende Folgen hätte: 
Wie die Präambel des EWRA in ihrer 8. und 15. Erwägung be- 
stätigt, soll dieses - das EWRA - den Staatsangehórigen der EWR- 
Mitgliedstaaten die sog. Vier Freiheiten verschaffen, die nichts anderes 
betreffen als die Bedingungen, unter denen die Staatsangehörigen 
der (anderen) EWRA-Mitgliedstaaten in Liechtenstein (vor allem) ei- 
ne Wirtschaftstätigkeit aufnehmen und ausüben können. Insofern 
haben die Vier Freiheiten i.S.d. EWRA aber nichts anderes zum Ge- 
genstand als die Rechtsstellung der EWR-Staatsangehôrigen vor al- 
lem im Rahmen der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 36 LV), und 
zwar in Form einklag- und durchsetzbarer ,Wirtschafts-Grundrech- 
te134!, Damit ist mit dem EWRA ein Anwendungsfall der Art. 28 Abs. 
2 und 31 Abs. 3 LV gegeben; im EWRA werden die „Rechte der 
1336 Siehe zum Gegenrechtsvorbehalt im Allgemeinen $ 33 ABGB und im Besonderen z.B. Art. 4 
Abs. 1 AVG. 
1337 Unter dem Eindruck der sog. Schubert-Praxis des Schweizerischen Bundesgerichts hat der 
Staatsgerichtshof in StGH 1971/1, Stotter (Verfassung) S. 45 erklärt, dass „nicht unter den 
Begriff ,Staatsvertráge' gemáss Art 31 Abs 2 VIG ... diejenigen Bestimmungen bilateraler 
oder multilateraler Abkommen (fallen), die erwiesenermassen von den Vertragsstaaten im 
Verháltnis zum Fürstentum Liechtenstein nicht eingehalten werden". 
1338 StGH 1975/1, ELG 1973-1978 S. 379. Missverstàndlich sind in diesem Zusammenhang die 
Aussagen des Staatsgerichtshofes in StGH 1981/10, LES 1982 S. 122, wonach Art. 28 Abs. 2 
LV und Art. 31 Abs. 3 LV die ,korrelative Frage“ beantworte, , welche Rechtsvorschriften im 
Verfassungsrang ... fur die sich auf liechtensteinischem Gebiet aufhaltendem und damit 
liechtensteinischem Gesetz unterworfenen Auslénder gelten“ (Kursivstellung durch den Ver- 
fasser). Dass der in Art. 28 Abs. 2 LV (und in Art. 31 Abs. 3 LV) enthaltene Renvoi die so (zu- 
rück-)verwiesenen vólkerrechtlichen Vertráge auf die Rechtsquellenstufe der LV (Verfas- 
sungsrang) hebt, ist weder erforderlich noch wird dies vom Wortlaut der beiden Bestim- 
mungen vorausgesetzt. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass sich die Aussagen 
auf die Frage beziehen, welche Bestimmungen der LV (ohne einen Verweis auf die Bestim- 
mungen des Staatsvertrags- oder des Gegenrechts) für die Ausländer in Liechtenstein gelten. 
1339 StGH 1986/1, LES 4/1986 S. 111. 
1340 StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 111. 
1341 Siehe hierzu Baudenbacher (Individualrechtsschutz) S. 66ff. 
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