Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

(„einer bestimmten Materie“ 1260) nicht dem Landes-, sondern dem 
Völkervertrags- oder dem Gegenrecht!261 vorbehält. Ist dies der Fall 
(wie im Geltungsbereich der Art. 28 Abs. 2 und 31 Abs. 3 LV), kön- 
nen diese Rechtsquellen (das Völkervertrags- oder das Gegenrecht) 
den formellen Gesetzen gleichgesetzt werden!262; gleichzeitig ist in 
dieser Zuweisung nicht nur eine Billigung, sondern auch eine Auffor- 
derung zu einem Erlass von Verordnungen zu völkerrechtlichen Ver- 
trägen ebenso mitenthalten wie in Bezug auf formelle Gesetze. Dem- 
entsprechend begründet einer der (wenn auch nicht sehr zahlreichen) 
Verweise der LV nicht auf ein formelles Gesetz, sondern auf völker- 
rechtliche Verträge den Bestand eines völkervertragsrechtlichen Ver- 
ordnungsrechts ohne weiteres. 
Ein Beispiel hierfür ist der Anlassfall selbst: In StGH 1985/1 
heisst es, dass jene völkerrechtlichen Verträge, die in Art. 28 Abs. 2 
LV „hinsichtlich der Niederlassung der Ausländer“ den formellen 
Gesetzen vorbehalten werden, „von der Regierung wie die Gesetze 
vollzogen werden (müssen)". Zu diesem Vollzug aber ,gehórt in 
sinngemásser Anwendung von Art. 92 der Verfassung auch der Er- 
lass der zur Durchführung erforderlichen Verordnungen" 1263, 
f) StGH 1997/19, StGH 1997/41 und VBI 1998/72 
In StGH 1997/19 stand in Frage, ob die unter anderem zur 
Umsetzung der Richtlinie 64/221/EWG'!?9^ erlassene (aufgehobene) 
BVO-EWR'?65 eine Rechtsgrundlage für Eingriffe in die Niederlas- 
sungsfreiheit (Art. 28 EWRA) bilden kónne. Diese Frage ist vom 
Staatsgerichtshof mit der Begründung bejaht worden, dass die BVO- 
EWR ,und die darin vorgesehenen Fingriffe in die Niederlassungs- 
freiheit ohne weiteres eine genügende gesetzliche Grundlage (ha- 
1260 StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 111. 
1261 Siehe zur Anwendung des Begriffes des ,Gegenrechts' in Art. 28 Abs. 2 LV und in Art. 31 
Abs. 3 LV Hangartner (Grundrechte) S. 130. 
1262 Gleichlautend Winkler (Staatsvertráge) S. 122 oder Kley (Verwaltungsrecht) S. 173. 
1263 StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 111, gleichlautend Winkler (Staatsvertráge) S. 122. 
1264 Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervor- 
schriften für die Einreise und den Aufenthalt von Auslàndern, soweit sie aus Gründen der óf- 
fentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABI. Nr. 56 vom 4. April 
1964 S. 850/54; Anh. V — 1.01 EWRA). 
1265 Die (aufgehobene) BVO-EWR ist, ihrer Práambel nach, ,aufgrund des Abkommens vom 2. 
Mai 1995 über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere Protokoll 15 und den ver- 
traglichen Vereinbarungen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweiz“ erlas- 
sen worden. 
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