Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

19911217 mehrere Verordnungen ganz oder teilweise auf der Grundla- 
ge von Bundesgesetzen erlassen worden sind, die in Liechtenstein 
aufgrund eines oder mehrerer Wirtschaftsverträge gelten. Wenn auch 
nicht explizit, so ist die Regierung in diesen Fällen doch implizit da- 
von ausgegangen, dass Art. 92 Abs. 1 zweiter Satz LV i.d.F.d. Verfas- 
sung vom 5. Oktober 1921 unter dem Begriff der ‚Gesetze‘ nicht nur 
solche i.S.d. Art. 9 und Art. 65 Abs. 1 LV versteht, sondern auch solche 
des Wirtschaftsvertragsrechts1218, 
Der (vermeintliche) Gegensatz zwischen dieser Verfassungs- 
wirklichkeit und dem Wortlaut der LV zwingt dazu, auf die Frage 
nach dem Bestand und Inhalt eines vôlkervertragsrechtlichen Ver- 
ordnungsrechts unter anderen Gesichtspunkten einzugehen als unter 
jenem einer grammatikalischen Auslegung von Art. 92 Abs. 1 zweiter 
Satz LV i.d.F.d. Verfassung vom 5. Oktober 1921. Diese anderen Ge- 
sichtspunkte können der Praxis des Staatsgerichtshofes entnommen 
werden. 
Praxis 
Trotz einer Entscheidung vom 24. April 1978, StGH 1977/10/V, bil- 
den StGH 1972/1, StGH 1978/8, StGH 1981/18, StGH 1985/1, StGH 
1997/41 und StGH 1998/56 ein klares und eindeutiges Indiz dafür, 
dass der Bestand eines vólkervertragsrechtlichen Verordnungsrechts 
vom Staatsgerichtshof nicht nur anerkannt, sondern auch legitimiert 
worden ist. 
a) StGH 1977/10/V 
Unter Berufung auf Art. 92 Abs. 1 zweiter Satz LV i.d.F.d. Ver- 
fassung vom 5. Oktober 1921 hat der Staatsgerichtshof in StGH 
1977/10/V erklärt, unter dem in dieser Bestimmung , wiederholt ge- 
brauchten Wort ,Gesetze'" kónnten ,nur liechtensteinische und nicht 
1217 Verordnung vom 26. Juni 1991 über die Einhebung von Gebühren im Verkehr mit Giften, 
LGBI. 1991 Nr. 49; LR 814.801.3. Diese Verordnung stützt sich, ihrer Práambel nach, auf das 
Bundesgesetz vom 21. Márz 1969 über den Verkehr mit Giften (Giftgesetz), SR 813.0. 
1218 Auf die Gründe für diese Verfassungswirklichkeit wird hier nicht eingegangen. Erwáhnenswert 
ist, dass der Staatsgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahre 1986 zu einer sehr weitgehen- 
den, wenn nicht gar bedingungslosen Gleichsetzung eines formellen Gesetzes und eines 
Bundesgesetzes gekommen ist, das in Liechtenstein aufgrund der Wirtschaftsvertráge gilt; 
siehe hierzu StGH 1985/1, LES 4/1996, S. 110 in Bezug auf das ANAG: „Die Kundmachung 
im Landesgesetzblatt ist ... gemäss Art. 65 Abs. 1 der Verfassung unabdingbare Vorausset- 
zung für die Geltung eines Gesetzes. Das ANAG ist daher ... in Liechtenstein nicht anwend- 
bar“. 
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