Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

12. KAPITEL: VÖLKERVERTRAGSRECHTLICHES 
VERORDNUNGSRECHT (EXKURS) 
Ausgangslage 
Die Frage, ob nicht nur formelle Gesetze!?99, sondern auch vólker- 
rechtliche Vertrüge die Rechtsgrundlage von Verordnungen??! bilden 
kónnen, berührt den Komplex der Rechtsnatur und der Rechtskraft 
des Vólkervertrags- im Landesrecht zwar nur am Rande. Eine Ant- 
wort auf diese Frage ist jedoch sowohl theoretisch als auch praktisch 
relevant!?9? und — wie Beispiele zeigen — nach wie vor weit davon ent- 
fernt, zum Gemeingut der liechtensteinischen Verfassungsordnung 
1200 Unter dem Begriff der ‚formellen Gesetze‘ wird hier der Ur- bzw. Idealtypus eines Gesetzes im 
formellen Sinne verstanden, also der Inbegriff jener Rechtsvorschriften i.S.v. Art. 65 Abs. 1 
LV, Art. 3 Bst. a KmG (,Gesetzesbeschlüsse") und Art. 4 der Legistischen Richtlinien (,Geset- 
ze im formellen Sinne", die nach Ritter (Gesetzgebungsverfahren) S. 71 „die primären, vom 
Landtag beschlossenen, vom Fürsten sanktionierten und in der Regel referendumspflichtigen 
Erlasse" sind. Siehe zum Begriff des formellen Gesetzes auch Steger (Landtag) S. 72: ,Die 
Akte, die von der Legislative ausgehen, sind Gesetze im formellen Sinne“. Die GOLT enthält 
keine Legaldefinition des Begriffes des formellen Gesetzes. 
1201 Unter dem Begriff der ‚Verordnungen‘ wird hier der Ur- bzw. Idealtypus einer Rechts- bzw. 
Durchführungsverordnung der Regierung i.S.v. Art. 92 Abs. 2 LV i.V.m. StGH 1977/11, Stotter 
(Verfassung) S. 148 verstanden, wonach eine ,Verordnung im Sinne der liechtensteinischen 
Verfassung ... eine generell abstrakte Anordnung der Regierung“ ist. Zur Kritik an diesem Be- 
griffsverständnis siehe Schurti (Verordnungsrecht) S. 43 sowie S. 60ff und S. 69ff. Erwäh- 
nenswert ist, dass das KmG in seinen Bst. g und h von Art. 3 (nur) zwischen „Verordnungen“ 
und „Verwaltungsverordnungen“ unterscheidet. Diese Zweiteilung wird auch von Pappermann 
S. 364 vertreten: „Die Regierungsverordnungen ... werden in Rechtsverordnungen und Ver- 
waltungsverordnungen eingeteilt“. Siehe zum Begriff der Verordnung vereinfachend, aber zu- 
treffend Hoch (Verfassung- und Gesetzgebung) S. 207: ,Bei generell-abstrakten Rechtsvor- 
Schriften, welche nicht in diesem formellen Gesetzgebungsverfahren ergehen, handelt es sich 
um Verordnungen". 
1202 Der Einfachheit halber wird auf diese Frage unter dem wenn auch nicht üblichen, so doch 
praktischen Stichwort des ,vólkervertragsrechtlichen Verordnungsrechts' eingegangen. Als 
Gegensatz zu dem so bezeichneten vólkervertragsrechtlichen kann das landesrechtliche Ver- 
ordnungsrecht gelten, wie es in Art. 92 LV verankert ist. Das Attribut ,vólkervertragsrechtlich" 
bzw. Jandesrechtlich' deutet dabei auf die unterschiedliche Rechtsgrundlage der in Frage 
stehenden Kompetenz bzw. der in Ausübung dieser Kompetenz erlassenen Verordnungen 
hin. Nichtdestoweniger beruhen beide ,Verordnungsrechte' nicht auf dem Vólkervertrags-, 
sondern auf dem Landesrecht (Staats- bzw. Verfassungsrecht). Der Geltungsgrund (des 
Rechtsinstituts des völkervertrags- und des landesrechtlichen Verordnungsrechts) ist in bei- 
den Fällen also kein völkervertrags-, sondern ein landesrechtlicher; nur ist eben die Rechts- 
grundlage der in einem Einzelfall erlassenen Verordnung das eine Mal eine völkervertrags- 
rechtliche (ein völkerrechtlicher Vertrag) und das andere Mal eine landesrechtliche (ein 
formelles Gesetz oder — in den Fállen selbstándiger Verordnungen - die LV). 
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