Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

gezogen wird!!93 — und zwar schon vor dem Inkrafttreten dieser Bestim- 
mung: Im Widerspruch zu dem in Zukunft neu gefassten, in diesem 
Punkt jedoch nach wie vor (an sich) klaren und eindeutigen Wortlaut 
von Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV (Kassationsprinzip!19^) soll die 
Wirksamkeitsform der Aufhebbarkeit gemäss StGH 1993/4 die (in 
diesem Punkt) heute schon offensichtliche Undurchführbarkeit der Ver- 
fassung vom 16. März 2003 kurieren und, mit dieser Finalität, schon 
vor deren Inkrafttreten die Grundlagen für die Revision einer Revision 
zur Verfügung stellen. Das Unbefriedigende dieser Vorschläge liegt auf 
der Hand 1195 _ ein Umstand, der zu einer Suche nach anderen Lösun- 
gen zwingen wird! 196, 
Die Prominenz, die der Praxis des Staatsgerichtshofes in StGH 
1993/4 in Zukunft zuteil werden wird, zeigt sich aber auch an ande- 
rer Stelle — so in Art. 10 Abs. 2 LV. Mit dieser Bestimmung wird kein 
anderes Ergebnis erzielt, als dass die Idee einer Spaltung der Rechts- 
kraft in eine ,Geltung’ und in eine ,Anwendbarkeit’ (von Bestim- 
mungen der LV) auf Verfassungsebene institutionalisiert wird!197, Die 
an sich als allgemein verbindlich konstituierte Autoritát der LV1198 
wird damit unter das Damoklesschwert des Notrechts gestellt und 
mit dieser Aussicht in ihrem Kern relativiert. 
Dass dem Staatsgerichtshof — ebenso wie im Übrigen auch der 
Rechtsstaatlichkeit als einem Grundprinzip der liechtensteinischen Ver- 
1193 Siehe hierzu die Regierung (Schreiben vom 22. Oktober 2002) S. 4ff. 
1194 Siehe hierzu das 19. Kapitel Pkt. 3.4. 
1195 Siehe hierzu das 12. Kapitel Pkt. 4.2.2 sowie das 25. Kapitel Pkt. 3.2.4. 
1196 Folgt der Staatsgerichtshof diesem Ansatz (einem Rückgriff auf die Praxis des Staatsge- 
richtshofes in StGH 1993/4; Rechtskrafttypus der ,Aufhebbarkeit") nicht (was unter anderem 
von jenen Regelungen abhángig sein wird, die von der Regierung in der von ihr im Frühsom- 
mer des Jahres 2003 angekündigten Totalrevision des StGHG vorgesehen sein werden), 
bietet sich für eine Beschreibung jener Rechtslage, die sich aus der Kassation eines vólker- 
rechtlichen Vertrages wegen Verfassungswirdigkeit (Art. 104 Abs. 2 erster Satz LV) ergibt, die 
Rechtsfigur der Behórdenverbindlichkeit gemáss StGH 1985/1 an. 
1197 ,Notverordnungen dürfen die Verfassung als Ganzes oder einzelne Bestimmungen derselben 
nicht aufheben, sondern nur die Anwendbarkeit einzelner Bestimmungen der Verfassung ein- 
schránken". Siehe zur Tragweite der ,Einschránkung der Anwendbarkeit einzelner Bestim- 
mungen der Verfassung’ die Erläuterungen in der allen Haushalten in Liechtenstein am 2. 
November 2002 zugegangenen Broschüre, die auf S. 5 die Verfassungsänderungsvorschläge 
S.D. des Landesfürsten vom 2. August 2002 enthält. In diesen Erläuterungen wird eine Gren- 
ze zwischen dem Tatbestand der ‚Aufhebung’ und dem Tatbestand der ‚Einschränkung der 
Anwendbarkeit’ einer Bestimmung der LV gezogen und erklärt, dass in Bezug auf eine durch 
eine Notverordnung in ihrer Anwendbarkeit eingeschränkte Bestimmung der LV „die Hemmnis 
für die Anwendbarkeit“ dann „ipso iure (entfällt)“, wenn die betreffende Notverordnung ausser 
Kraft tritt. Dieses Verständnis scheint zu bestätigen, dass die Revision von Art. 10 LV durch 
die Verfassung vom 16. März 2003 auf einer Unterscheidung zwischen dem Geltungs- und 
dem Anwendungsanspruch einer Bestimmung (hier: der LV) beruht. 
1198 Art. 112 Abs. 1 LV. 
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