Volltext: Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein

An der Behördenverbindlichkeit gemäss StGH 1985/1 ist para- 
dox, dass ihr Sinn und Zweck zwar nichts anderem dient, als völker- 
rechtlichen Bindungen zu entsprechen. Schurti hat diesen Umstand 
mit dem Hinweis hervorgehoben, dass „die völkerrechtliche Verant- 
wortlichkeit ... vom Staatsgerichtshof wenn immer möglich vermie- 
den (wird)^!!^?, Diese Finalitát wird jedoch dadurch in Frage gestellt, 
dass für das entsprechende Beachtungs- und Berücksichtigungsgebot 
der landesrechtliche Rahmen massgebend ist. Dadurch wird einerseits ei- 
ne vôlkervertragsrechtliche Ziel- und Ergebnisabhängigkeit und anderer- 
seits eine landesrechtliche Mittel- und Methodenbedingtheit begründet. 
Sich in der Enge dieses Spannungsverháltnisses zurechtzufinden, 
fällt schwer. Wegweisend wird die Überlegung sein, dass ein Rück- 
griff auf den Rechtskrafttypus der Behórdenverbindlichkeit gemáss 
StGH 1985/1 dem Grundsatz singularia non sunt extendenda unterliegt 
und nur dort erfolgen kann, wo ein nicht landesrechtlicher, sondern 
vólkervertragsrechtlicher Zwang!!^? dafür besteht. Ausserste Vorsicht 
ist dabei unverzichtbar. 
In der Praxis der Anderen Gerichte haben sich bis in die jüng- 
ste Zeit immer wieder Fálle ergeben, in denen diese vor die Proble- 
matik einer im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt nicht kundge- 
machten Rechtsvorschrift gestellt waren, ohne dass auf den 
Rechtskrafttypus der Behórdenverbindlichkeit gemáss StGH 1985/1 
zurückgegriffen worden ist: 
e In Ns 28/88 hat das OG erklárt, das Atomenergiegesetz 1^ 
sei, obwohl im Anlassfall ,alles für seine Anwendbarkeit nicht 
nur jenseits, sondern auch diesseits des Rheins (sprach)"!!45, 
seiner Nicht-Kundmachung wegen ,kein Bestandteil der 
liechtensteinischen Rechtsordnung 1146, Diese Erklárung hat 
der Tatsache Rechnung getragen, dass der Vollzug einer Straf- 
bestimmung in Frage stand und dass für das OG — dement- 
sprechend - von vornherein kein Anlass bestanden hatte, die 
Rechtskraft des Atomenergiegesetzes unter den Schutzschirm 
der Behórdenverbindlichkeit gemáss StGH 1985/1 zu stellen. 
1142 Schurti (Verordnungsrecht) S. 290 (Fussnote 5). 
1143 Siehe StGH 1985/1, LES 4/1986 S. 110 in Bezug auf Art. 33 ZV und das FPA I: ,soweit die 
Vereinbarung ... zwingend darauf verweist". 
1144 Bundesgesetz vom 23. Dezember 1959 über die friedliche Verwendung der Atomenergie und 
den Strahlenschutz (Atomenergiegesetz), SR 732.0. 
1145 Becker (Nachtrag) S. 89 samt Verweisen (Fussnoten 915 und 916). 
1146 Ns 28/88, LES 1/1988 S. 30. 
232
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.