vertragsrecht besitzt in Liechtenstein Rechtskraft, ohne dass
auch nur ein einziger Schritt des (ordentlichen) Gesetzge-
bungsverfahrens!013 vollzogen und ohne dass auch nur eine
einzige Gültigkeitsvoraussetzung i.v. Art. 65 Abs. 1 LV er-
füllt sein muss — die Kundmachung im Liechtensteinischen
Landesgesetzblatt ausgenommen.
e Schliesslich ist der Staatsgerichtshof auf die Qualifikation des
Wirtschaftsvertragsrechts in StGH 1981/18 in einer ebenso
subtilen wie scharfsinnigen Unterscheidung eingegangen: In
StGH 1981/18 hat der Staatsgerichtshof das Wirtschaftsver-
tragsrecht nicht als liechtensteinisches Recht‘, sondern „als in
Liechtenstein geltendes Recht“ bezeichnet und erklärt, eine „spe-
zielle Kundmachungsnorm sollte ... die Klarstellung bringen,
welcher Rechtscharakter der übernommenen Norm nach
liechtensteinischem Recht zukommt"!9!^, Diese beiden Aus-
sagen kónnen nicht anders verstanden werden, als dass es sich
beim Wirtschaftsvertragsrecht nicht um ,liechtensteinisches
Recht' handelt; das Wirtschaftsvertragsrecht muss eine andere
Rechtsnatur als ,liechtensteinisches Recht'/ besitzen, damit es
‚als in Liechtenstein geltendes Recht‘ bezeichnet und damit
seine Rechtsnatur ‚nach liechtensteinischem Recht‘ bestimmt
werden kann. StGH 1997/28 steht diesem Verständnis nicht
entgegen 1915,
Vor diesem Hintergrund führt der beste (weil erfolgverspre-
chendste) Weg einer Qualifikation des Wirtschaftsvertragsrechts auf
den Hinweis Bruhas zurück, wonach Liechtenstein auf eine Aus-
übung seiner Hoheitsrechte unter den Wirtschaftsverträgen auf eine
ähnliche Art und Weise verzichtet hat wie die Mitgliedstaaten der
EU; aus diesem Grunde böten sich „Analogien zum Recht der EG
(Rechtsnatur des Gemeinschaftsrechts) an“. Dieser Hinweis trifft zu:
Im Unterschied zum EWRA hat Liechtenstein über seine Gesetzge-
bungshoheit als einem ,Staatshoheitsrecht' i.S.v. Art. 8 Abs. 2 LV un-
ter den Wirtschaftsvertrágen endgültig und abschliessend verfiigt1016
1013 Siehe hierzu Ritter (Gesetzgebungsverfahren).
1014 StGH 1981/18, LES 2/1983 S. 43 (Kursivstellung durch den Verfasser).
1015 Seine ,grosszügige' Praxis in StGH 1997/28, LES 3/1999 S. 152, auch die in Liechtenstein
aufgrund der Wirtschaftsverträge geltenden Schweizerischen Rechtsvorschriften (Bundes-
ratsverordnungen) „als Verordnungen iS von Art 28 Abs 2 StGHG“ zu bezeichnen, hat der
Staatsgerichtshof einzig und allein mit der Absicht begründet, die Einrichtung der Normen-
kontrolle als solcher zu schützen. Eine Aussage über die Rechtsnatur des Wirtschaftsver-
tragsrechts ist darin nicht enthalten.
1016 Siehe hierzu das 8. Kapitel Pkt. 4.2.
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