4.1.2.2
Die Rechtsnatur des Wirtschaftsvertragsrechts
Der Versuch einer Qualifikation des Wirtschaftsvertragsrechts be-
gegnet einer Reihe von Hindernissen. Der Grund hierfür liegt einer-
seits in der Vielzahl (und Unterschiedlichkeit) der in der Lehre ver-
tretenen und — in der Regel - ohne weiteres nachvollziehbaren
Standpunkte. Andererseits leidet die Praxis des Staatsgerichtshofes
nach wie vor unter einem Mangel an begrifflicher Kohárenz.
Nicht von der Hand zu weisen ist, in einem ersten Schritt, eine
Qualifikation des Wirtschaftsvertragsrechts als schweizerisches Recht:
e Für eine solche Qualifikation sprechen die Hinweise auf die
„weitere Ausdehnung schweizerischen Rechts“ 1900 in StGH
1981/18 oder auf die „Ausdehnung des schweizerischen Straf-
rechts auf liechtensteinisches Hoheitsgebiet“1991 in StGH
1990/5.
* Gegen eine Qualifikation des Wirtschaftsvertragsrechts als
schweizerisches Recht spricht der Umstand, dass der Staatsge-
richtshof ein in Liechtenstein aufgrund der Wirtschaftsvertrá-
ge geltendes Bundesgesetz mit einem formellen Gesetz i.S.d.
Art. 9 und 65 Abs. 1 LV immer wieder gleichgesetzt hat. Dies
ist vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kundmachung 1002,
aber auch mit Blick auf die Funktion einer Rechtsgrundlage
für den Erlass einer Verordnung!0?? geschehen. Gegen eine
solche Qualifikation spricht aber auch die Aussage des Staats-
gerichtshofes, wonach die Bekanntmachungen des Zollver-
tragsrechts gemäss Art. 4 EGZV1994 nicht als Bestandteil der
schweizerischen Gesetzgebung angesehen werden kón-
nen“1995 sondern , selbstándige Verordnungen"'" seien, ,wie
sie die Verfassung auch sonst kennt"!006 — dies gilt, auch
wenn sich diese Aussage nur auf das ,Medium' und nicht
1000 StGH 1981/18, LES 2/1983 S. 40.
1001 StGH 1990/5, LES 1/1991 S. 5.
1002 So in StGH 1981/18, LES 2/1983 S. 42, wo es in Bezug auf ein in Liechtenstein aufgrund der
Wirtschaftsvertráge geltendes Bundesgesetz heisst, zwischen Liechtenstein und der Schweiz
sei keine „von der liechtensteinischen Rechtsordnung abweichende Form der Kundmachung
vereinbart“ worden. „Diese Form der Kundmachung für Gesetzes ist ... in Art. 65 der Verfas-
sung genannt“. Siehe in Bezug auf das ANAG in diesem Sinne auch StGH 1985/1, LES
4/1986 S. 110: „Die Kundmachung im Landesgesetzblatt ist ... gemäss Art. 65 Abs. 1 der
Verfassung unabdingbare Voraussetzung für die Geltung eines Gesetzes“ (Kursivstellung
durch den Verfasser).
1003 so in StGH 1972/1, ELG 1973-1978 S. 338f.
1004 Siehe hierzu das 8. Kapitel Pkte. 3.1 und 3.2.
1005 StGH 1981/18, LES 2/1983 S. 43.
1006 StGH 1981/18, LES 2/1983 S. 43.
209