Volltext: Gutachten über den Zollanschluss Liechtensteins an die Schweiz

Sehr geehrter Herr Lanütagspräsiüent ! 
Sehr geehrte Herren Abgeordnete! 
Die Aufgabe des vorliegenden Gutachtens ist 
eine doppelte. Es ist zu prüfen: 
1. Ob ein Anschluß des Fürstentums Liechten 
stein an das schweizerische Zollgebiet den In 
teressen der liechtensteinischen Volks- und 
Staatswirtfchast diene; 
2. Ob der unter gegenseitigem Ratifikationsvor 
behalt zwischen Sr. Durchlaucht dem regie 
renden Fürsten von Liechtenstein und dem 
Schweizerischen Bundesrat am 29. März 1923 
abgeschlossene Staatsoertrag den volkswirt 
schaftlichen und fiskalischen Interessen des 
Fürstentums Liechtenstein gebührend Rech 
nung trage. 
Der erste Teil des Gutachtens handelt somit 
von der Zollvereinigung Liechtensteins mit der 
Schweiz im allgemeinen, während der zweite 
Teil sich mit dem erwähnten Staatsvertrage be 
schäftigt. Alles unter Ausschluß politischer und 
juristischer (auch der staatsrechtlichen) Erwä 
gungen. 
I. 
.V. Es kann als Axiom betrachtet werden, daß 
es das an sich Wünschenswerteste ist, daß ein 
souveräner Staat auch seine Zollverhältnisse 
autonom ordnet. Bei der Prüfung der vorlie 
genden Frage wird daher in erster Linie zu 
untersuchen sein, ob das Fürstentum 
Liechtenstein in der Lage wäre, un 
ter Berücksichtigung seiner volks 
wirtschaftlichen und fiskalischen 
Bedürfnisse dauernd selbständi 
ges Zollgebiet zu bleiben. 
Zur Abklärung dieser Frage sollen vorerst 
die volkswirtschaftlichen und fis 
kalischen Bedürfnisse Liechtensteins in 
großen Umrissen festgehalten werden. Daran 
wird sich eine kurze Darlegung der bis 
herigen Stellung Liechtensteins in 
Bezug auf die Zollfrage schließen, 
worauf diese D o r f r a g e auf Grund der heuti 
gen Verhältnisse abzuklären ist. 
1. Die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse des 
Landes Liechtenstein ergeben sich aus seiner wirt 
schaftlichen Struktur (a), die fiskalischen aus der 
Lage seiner Finanzen (d). 
a) Die wirtschaftliche Struktur des 
Fürstentums kann mangels einer eingehenden 
Landesstatistik nur in ihren groben Umrissen be 
schrieben werden. 
Rach den Ergebnissen der letzten summari 
schen Volkszählung vom 31. Dezember 
1922 hatte Liechtenstein eine Bevölkerung von 
11,868 Personen. Hiervon waren 3831 Einhei 
mische als „abwesend" gemeldet. Man zählte 
1619 Familienvorstände. Die Zahl der Grund 
besitzer wurde mit 1300 angegeben. Als Ge- 
werbsleute wurden 1877 aufgeführt. Die Bo 
de n f l ä ch e von 187 km* verteilt sich schät 
zungsweise folgendermaßen: 
Ackerland (1918) 
400 
da 
Wiesland *) (1916) 
4600 
da 
Wald (1918) 
2700 
da 
Streuland 
1800 
da 
Alpen 
2700 
da 
Unproduktiv 
3800 
da 
Die Bevölkerungszahl und besonders die 
hohe Ziffer der Bodenbesitzer zeigen bei geringer 
Ausdehnung der landwirtschaftlich nutzbaren 
Fläche deutlich auf eine starke Zersplitterung des 
Grundbesitzes hin. Schon lange ist die Aufnahme 
des natürlichen Bevölkerungszuwachses, die in 
Liechtenstein sehr stark ist, durch die Landwirt 
schaft an der Grenze angelangt. Daher hat denn 
auch Liechtenstein eine starke Auswanderung. 
Die Industrie ist — als innere Aufnahmequelle 
des Bevölkerungsüberfchusies — wenig entwik- 
kelt. Zur Zeit sind etwa 600 Personen in drei 
Textilfabriken (Spinnereien und Webereien) be 
schäftigt. Die Kapazität der drei Etablissemente 
mit zirka 800 Webstühlen und 28,000 Windeln 
ist gegenwärtig nicht voll ausgenützt. So weit 
die männliche erwerbstätige Bevölkerung nicht in 
der Landwirtschaft beschäftigt ist, gehört sie zu 
einem sehr großen Teil dem sog. „schweren" 
Handwerk, dem Baugewerbe an. Für liechten 
steinische Verhältnisse ist in hohem Maße die 
*) geschätzt am Biehstand.
	        

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