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ches infolge der ungeheuren Inflation ganz
besondere, krankhafte Zustände herrschen, so wird
man heute den valutarischen Preisnachteil der
Schweiz auf zirka 10 Prozent veranschla
gen können.
Spielt dieser, für die Schweiz ungünstige
Faktor für Liechtenstein eine Rolle? Der valu
tarische Preisnachteil der Schweiz fällt ins Ge
wicht für die Industrien, welche auf dem Welt
märkte mit den ausländischen konkurrieren
müssen. Liechtenstein hat nun allerdings einige
Fabriken, welche mit diesem Faktor zu rechnen
haben. Sie «erden aber bis zu einem gewissen
Grade heute schon von ihm betroffen, da Liech
tenstein durch die bestehende enge Verbindung
mit der Schweiz in der Währungsfrage und
durch eine stark« Angleichung der Preise an die
Schweiz diesen Preisnachteil bis auf weniges
bereits schon trägt. Für den liechten
steinischen Viehexport kommt der Faktor aber
nicht in Frage, weil kein äquivalentes Export
produkt auf den Markt kommt. Für das Ge
werbe endlich, welches für den i n n e r e n Markt
arbeitet, spielt die Frage keine Rolle. E r n st -
liche Bedenken entstehen also für
die liechtensteinischen Interessen
aus den internationalen Kauf
kraftimparitäten bei einem An
schluß an das schweizerische Zoll
gebiet nicht. —
Die Kaufkraftimparität der Schweiz ist eine
Folge von hauptsächlich zwei Faktoren: des
strengen Schutzes der landwirtschaftlichen und
gewerblichen Produktenpreise gegen die zur Zeit
starken Schwankungen des Weltmarktes und die
Hochhaltung der Löhne und damit der Le
benshaltung durch den Abschluß des Ar
beitsmarktes vom Auslande. Es fehst an streng
vergleichbarem Material über die Lebenshaltung.
Im großen ganzen wird man aber nicht fehl
gehen, wenn man annimmt, der schweizerische
Arbeiter habe einen um 100 Prozent höheren
Reallohn als fein Kollege in Deutschland und
Oesterreich und vielleicht einen Vorsprung von
20—25 Prozent gegenüber dem italienischen und
ftanzösischen Arbeiter. Indessen ist es sehr
wichtig, zu konstatieren, daß in der Schweiz
s e l b st starke Belöhnungsunterschiede vorhan
den sind. Man vergleiche folgende Löhne in der
Landwirtschaft (Wochenlöhne Mittelwerte):
Minimum
Maximum
Durchschnitt
Melker
22,85
36,45
25,90
Pferdeknecht
17,75
34,20
24,90
Landknecht
17,55
34,35
21,20
Magd
11,30
14,50
13,00
Je nach den Laicktesgegenden sind die Löhne
also in der Landwirtschaft außerordentlich ver
schieden. Aehnliches ist auch bei den gewerk
schaftlich nicht durchorganisierten Industrien
uttb GSwerben der Fall. Für Löhne und Le
benshaltung hat daher auch ein kleines Wirt
schaftsgebiet den größten Spielraum. Es kommt
dabei ganz und gar auf die wirtschaftliche Struk
tur des Landesteils u. damit der Mentalität der
Lohnarbeiter an. Der Zollanfchluß wird daher
kaum direkt trgenitone die Lohnhöhe beein
flussen. Doch ist auf längeren Termin
durch ein« gewisse Entlastung des
liechtensteinischen Arbeitsmarktes
mit einem Steigen der Löhne und
wohl auch der Lebenshaltung zu
rechnen.
Wird aber — und damit kommen wir zu
einer letzten und außerordentlich wichtigen
Frage — der Zollanschluß nicht die Lebens-
k o st e n erhöhen, daß die Löhne infolge
dessen steigen muffen? Es handelt sich hier um
den Einfluß des Schweizerzolles auf dis liechten
steinischen Preise bezw. Lebenskosten. Wir
müssen zur Abklärung der Angelegenheit einige
Berechnungen anstellen.
Schon früher haben wir auf die Schwierig
keit von Belastungsberechnungen aus dem Zoll
hingewiesen. Wir wollen versuchen, sie an die
ser Stelle aus besondere Weise zu bewältigen.
Wir kennen für Liechtenstein die einge
führten Mengen für
a) 19 Nahrungs- und Genußmittel-Positionen
b) 3 Tabak-Positionen
c) 16 Positionen von Gebrauchs gegenständen
d) 13 Positionen von Baumaterial.
Es sind uns hiefür auch die Z o l l e r t r ä g e
bekannt. Die Zahlen erstrecken sich für .-i—c
auf zweites bis viertes Quartal 1922, für d auf
das zweite Halbjahr 1922. Wir stellen nun die
liechtensteinischen Zollerträge den mutmaßlichen
schweizerischen gegenüber (siehe ausführliche Ta
belle im Anhang) und konstatieren folgendes:
Es beträgt der Zollertrag nach Tarif
für Liechtenstein für die Schwei;
Nahrungs- und
Fr-
Fr.
Genußmittel
27,825.—
39,588.—
Tabakerzeugniff«
12,570.—
61,830.—
Gebrauchsartikel
11,572.—
55,520.—
Baumaterialien
6,976.—
37,351.—
Total:
58,943.—
194,289.—
Mehraufwand bei Schweizertarkf: Fr. 135,348.
Auf den Monat umgerechnet: Fr. 16,616.