Volltext: Der letzte Gutenberger

Nr. SS 
Vaduz, Mittwoch 15. Zu« 1925 
Merrlieinirche Nachrichten 
„Der letzte Gutenberger". 
Von Karl Jos. M i n st. 
Ein Freilichtspiel auf Schlotz Eutenberg. 
Das Wetter hat Sonntag Nachmittag 
mehr gehalten, als es vormittags verspro 
chen hat; es ist noch ein prächtiger Nachmit 
tag voll Sonne und -lauer Himmel gewor 
den und in diesem Zeichen, im Zeichen eines 
sehr starken Besuches, einer schönen Spiel- 
sreude und eines schönen, unbestrittenen 
Erfolges ist „der letzte Eutenberger" zum 
drittenmale gespielt worden. 
Wir bemerken mit Genugtuung den gut 
besetzten Autopark beim Schulhause, und den 
Weg zur Burg hinauf vor und hinter uns 
eine lange Reihe Kunstbeflissener, bekannte 
Gesichter aus Sargans und Trübbach, unbe 
kannte aus Ragaz. Die Kasse oben hatte 
wacker Arbeit und die hübsch ausgestatteten 
Textbücher fanden ihre Abnehmer. Im viel 
gerühmten schönen Schloghofe füllten die 
Gäste die geschickt errichteten Tribünen und 
Galerien. 
Die Valzner brauchten zu ihrem Frei 
lichtspiele keine Kulissen zu bauen. Alles ist 
da, was zum Schauspiel gehört. Ein stolzer 
Schlosthof, feste Mauern, dröhnender Wehr 
gang, grüner lebendiger Efeu, duftender 
Hollunder. Auf dem alten silbrigen Holze 
und dem warmen Blattgrün liegt leuchtend 
die Sonne .... Nicht leicht hätte gerade für 
dieses Spiel eine schönere Stätte gefunden 
werden können. Ein Spiel von längst ver 
gangenen Zeiten. Und wenn auch die Spa 
tzen während der Aufführung gegenwarts 
froh durch die Dachrinnen jagen, stört das 
nicht im geringsten, sondern hebt sie eher, 
die eigenartig schöne, seltsame Stimmung, 
die da oben eine geschickte Schriftstellerhand 
geschaffen hat, von braven Mitarbeitern, 
von einer unübertrefflichen natürlichen 
Szenerie und einem wahren Festwetter un 
terstützt. 
Das Spiel beginnt. Ein heller Trompe- 
tenstost vom Turm und ein seltenes Lied — 
Worte und Melodie des Nachtwächter-Ge 
sanges, wie er noch vor 40 Jahren in Trie 
fen üblich war. Dre Verwendung ist ein 
glücklicher Einfall des Autors. Es lautet: 
Stehet auf im Nama Herr Jesu Christ 
Der helle Tag vorhanda ist — 
Der helle Tag, der nia auslag — 
Gott gäb üs alla an guata Tag. 
Gelobt sei Jesu Christ! 
Es kommt Wirnt, der letzte Gutenberger, 
der Held des Stückes, besten Leid wir beim 
ersten Auftreten ungefähr ahnen. Und nach 
ihm kommt die ganze leben- und farben 
frohe Szenenfolge. Es soll an der Stelle 
keine Inhaltsangabe gegeben werden. Die 
Textbücher sind in jeder Buchhandlung zu 
haben. Es seien hier nur ein paar Ein 
drücke widergegeben, wie sie sich unmittelbar 
beim Anhören des Stückes letzten Sonntag 
ergaben. 
Es wird sehr gut gespielt. Dieses Urteil 
ist kein Ausdruck der Höflichkeit in Anbe 
tracht einer Riesenarbeit, die geleistet wor 
den ist, und kein Kompliment für die dunk 
len und blonden Zöpfe bestimmt, die die 
Bühne belebten, sondern meine Ueberzeu 
gung der Qualität des Gesehenen und Ge 
hörten. Ich will einiges anführen, einige 
Rollen: Der Burgoogt, eine prächtige Ge 
stalt, eine beneidenswerte Stimme und eine 
absolute Ursprünglichkeit des Spieles; seine 
Frau, eine ruhige Erscheinung, die mit gu 
tem Ausdruck und vornehmer Bewegung ein 
Mutter-Schicksal gibt; Rohwitha, eine der 
Ueberraschungen des Tages: ihre sehr 
schwierige Rolle ist glänzend gegeben. Sie 
fällt auf durch Mimik und Sprache und ihr 
Spiel ist in der Höhe des Schmerzes echt und 
erschütternd. Donat und Prxedis, die fro 
hen Gestalten des Stückes; sie verkörpern 
glückliche Jugend und Frohsinn durch ein 
warmes, überzeugendes Spiel. Brandts, ein j 
wackerer Burgherr, der ehrlich den „Vadu- 
zer" verteidigt, und Königseck, ein sympa 
thisch« Kriegsmann. 
Der Autor M i n st spielt die Titelrolle 
Wirnt, der letzte Gutenberg selber. Die 
Vielseitigkeit und Arbeitsleistung Minst ist 
wahrhaft erstaunlich. Wie man hört, hat er 
das Stück in Nachtschichten von nicht ganz 
4 Wochen geschrieben. Dast Minst ein voll- 
gemessener Anteil an den technischen und 
wirtschaftlichen Fragen der Aufführung auf 
sich genommen hat, dag er ferner Haupt- 
Regisseur und Spielleiter ist, dast auch die 
Rhythmik der Reigen seine Idee ist ver 
dient wohl besonders erwähnt zu werden. 
Wer letztes ^ahr mit den Vaduzer Frei 
st,pielen etwas zu tun hatte, weist unge 
fähr, was für Arbeit in all diesen Frauen 
à steckt. Der Austenseiter ahnt es tatsäch 
lich nicht. Minst hat eine Geistes- und eine 
Nerven-Arbeit geleistet, für die es kà an 
dere Anerkennung geben wird. als die An 
erkennung seitens jener Kreise, die mit ihm 
zusammengearbeitet haben und die Aner 
kennung, die im Erfolg liegt. Moralisch iss 
der Erfolg gesichert. Das bewies die Auf 
suhrung vom letzten Sonntag. Möge ein 
günstiges Wetter auch zum wirtschaftlichen 
Erfolge führen. Als besonders schön bezeich 
nen wir im Text die Lieder. Es sind dar 
unter einige von köstlicher Volkslied-Art, 
die durch Sprache, Zartheit und Wahl der 
Bilder auffallen. Minst spielt echt und pak- 
kend. Um die gefährlichste Klippe des Stük- 
kes, um die Monotonie der Monologe, 
kommt durch ein lebenswahres Spiel glück 
lich herum. Wir betonen das schöne, packende 
Spiel vom Burgkaplan, Waffenhauptmann 
Dagobert, Sebi, Waffenknecht Oswald, 
Burgmeier, Wolfinger und seines Knaben, 
Reinhart, THUring und Eudula. Knechte 
und Mägde, Musikanten, Bauern, Kriegs 
leute verschiedener Arjs, junges Volk aus 
dem Dorf haben ihren redlichen Anteil am 
schönen Erfolge. — Spontaner Beifall fiel 
mitten in die Szenen, wiederholter Applaus 
dankte am Schluffe Autor und Spielkräften. 
Es möge keiner Gutenberg versäumen. 
Es wird dort viel Schönes und Gutes in 
schöner Form geboten.
	        

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