Volltext: Der letzte Gutenberger

„Set letzte Gutenberger" 
Freilichtspiel auf Schloh Gutenberg 
Von Karl Jos. Minst. 
Vergangenen Sonntag hat die Erstauf 
führung stattgefunden. Die Berichte, die der 
Premiere vorausgingen, waren nicht viel 
versprechend und gar nicht „auf Erfolg" ein 
gestellt und konnten den Reporter veran 
lassen, sich ein paar nette Glossen zurechtzu 
legen. Gleich sei es gesagt, dast die Glossen 
umsonst zurecht gelegt worden sind. Die Sa. 
che ist nämlich prächtig gegangen, und von 
den bedenklichen Dingen, die Berufene und 
Unberufene von dem Spiel Tage vorher 
noch berichteten, ist einiges und zwar das 
Unbedenklichste eingetroffen. 
Die Rollen seien in schlechten Händen 
und die Zusammenarbeit sei mehr als man 
gelhaft; die Musik sei überhaupt Zukunfts 
musik, insofern als sie noch gar nicht gebo 
ren sei; der Dialekt mache sich nicht gut und 
andere Suchem Wahr ist etwas an der Zu 
kunftsmusik. Die Eesangseinlagen sind teils 
ausgeblieben. Nächsten Sonntag allerdings 
sollen sie alle restlos zum Vortrag kommen.; 
Und wahr ist: wenn die Musik schön und 
pasiend wird, wird es willkommene Einla 
gen mehr geben. Aber die Tatsache des Er 
folges must nicht mehr geschaffen werden. 
Der schöne Erfolg ist da. 
Die Rollen sind nicht in schlechten, son 
dern in guten, einige sogar in sehr guten 
Händen. Wir erwähnen allen voran die Ti 
telrolle Wirnt (vom Autor Minst selbst ge 
geben), ferner Roswitha, der Burgvogt, 
der Kaplan, Königseck und andere. Die Zu 
sammenarbeit war eine klaglose. Premie 
renfieber war nicht ersichtlich, wohl aber lag 
über dem ganzen eine köstliche Spielfreude, 
ein Eifer, das Veste zu geben. Und was als 
Schwäche, als verunglückte Idee des Autors 
vermerkt war, hat sich als guter Einfall er 
wiesen: Die Verwendung des Dialektes, 
und von geläufigen Wendungen d. Dialekt- 
rede. Dast der Autor dies glücklich getroffen 
hat, bewies der flotte, flüssige Gang der Ge 
spräche, die Sicherheit und Freude, mit der 
Spieler Dialektstellen widergaben. 
Das Spiel ist von groster Lebendigkeit. 
Man erinnert sich unwillkürlich an den letzt- 
jährigen „Walther von der Vogelweide", 
der andere Stärken, aber die Stärke der Le 
bendigkeit nicht besäst u. damit als „Schau- 
iviel" vom neuen Spiel übertroffen wird 
„Den letzten Eutenberger" werten wir als 
Spiel, nicht so sehr der gedanklichen Tiefe 
und der exaktesten dramatischen Regel, son 
dern als Spiel, das Lebendigkeit und Far 
ben und Bewegung als Kleid eines interes 
santen, menschlich sympathischen und ergrei 
fenden Begebnisses geben will. Dieses Ziel 
eines guten „Schauspieles" ist vergangenen 
Sonntag, wie der Erfolg zweifellos bewies, 
erreicht worden und wird an allen Auffüh 
rungen erreicht werden. Dem Autor gebührt 
die Anerkennung, geschickt und klug Packen 
des in packender Form auf die Bühne ge 
bracht zu haben. 
Ueber Stärke und Schwäche einiger Sze 
nen, die schon beim Durchlesen und noch 
mehr beim Spiel hervortraten, über ein 
zelne Charaktere des Stückes sei später ein 
mal berichtet. Wir bringen im nachstehen 
den eine kurze Inhaltsangabe (in Abschrift 
aus dem Textbuch) und empfehlen mit gu 
tem Gewissen jedem den baldigen Besuch auf 
Gutenberg. Es gilt dem Gutenberger dem 
..leiden und dem „Eutenberger" im Keller, 
bei dem allerdings, Gott sei Dank, noch keine 
Gefahr ist, dast es „der letzte" werde. 
» • » 
Der junge Wirnt, der letzte Spröstlj„g 
Vaduz» Mittwoch 1. Juli 1925 
Rr. 51 
berg, hat auf Schiost Gutenberg, dem ehe 
maligen Sitze seiner Familie, Unterkunft 
gefunden. Herangewachsen, verbindet ihn 
innige Liebe mit Roswitha, der Tochter des 
Burgvogtes. Sein zartes Gewissen kann es 
auf die Dauer nicht ertragen, sich heimlicher 
'Liebe zu erfreuen, seine ritterlich stolze Ge 
sinnung macht ihm eine Werbung um Ros 
witha, die vom Vater sicher abschlägig be- 
schieden würde, unmöglich, und seine selbst 
lose Liebe verbietet ihm, das geliebte Mäd 
chen an seine Armut zu ketten. Er verlästt 
die Burg fluchtartig, wandert in die weite 
Welt hinaus, und der Gram, der ihm das 
Herz zernagt, reift ihn zum Sänger. 
Nach Jahren, da der Schwabenkrieg aus 
bricht und der Gutenberg vom Feinde be 
droht ist, eilt er wieder zurück an die Stätte 
seiner Kindheit, um mit ihr zu stehen und 
zu fallen. Sein Verhältnis zum Vogt ist ein 
etwas unsicheres. Er vermeidet es ängstlich, 
mit ihm zusammenzukommen, aber auch den 
übrigen Burgbewohnern gegenüber ist er 
verschlossen. Nur dem Kaplan, der mit ihm 
verwandt ist. öffnet er sein Herz. Der „tra 
gische Konflikt" des Spieles tritt zutage: es 
ist der Widerstreit der beiden Pflichten: ei 
nerseits auf der Burg seiner Väter auszu 
harren und sie schützen zu helfen, anderseits 
die Burg ungesäumt zu verlassen, um nicht 
verheerend in den stillen Frieden der Ros 
witha einzudringen, die mit dem kaiser 
lichen Feldhäuptmann Hans von Königseck, 
pinpm pfmne rauben, aber herzensguten,' 
nerlobt in 
einem etwas rauhen, 
goldtreuen Menschen, 
dast ihre Liebe zueinander wieder verderb 
lich aufflammt. Sein seelischer Zwiespalt 
wird noch dadurch gesteigert, dast er in dem 
österreichischen Vogt bald seinen Vater und 
Freund, bald den Räuber seiner Burg sieht. 
Er ist bereit, sie gegen Habsburgs Feinde 
zu verteidigen, dann wieder kommt die Ver 
suchung, sie an sich zu reisten. 
Gutenberg ist belagert und wird be 
stürmt. Die kriegerischen Ereignisse bilden 
den Untergrund für die Handlung, in die 
sich auch das Liebesidyll zwischen Donat, 
dem Sohne des Burgvogts, der verwundet 
vom Zuge auf die Steig zurückgekehrt ist, 
und Praxedis, der Tochter des Freiherrn 
von Brandis einflicht, das in seiner heitern, 
lebensfrohen Art in grellem Gegensatze zum 
düstern Geschick des Eutenbergers und Ros 
withas steht. Königseck, der als Besatzungs 
kommandant mit Landsknechten aus Guten 
berg eingerückt ist, erfährt hievon, braust 
erst heftig auf, dann kommt ein plötzliches 
Verstehen und Erkennen über ihn, er schliestt 
innige Freundschaft mit Wirnt; er will ihm 
sein hartes Los tragen helfen, ihm und Ros 
witha. 
Für Wirnt bedeutet der Heldentod, den 
er bei der Verteidigung der Burg seiner Vä 
ter findet, als durch Verrat des MpMn" 
Thüring von Rüttinen die Feinde fn die 
Vorburg eingedrungen sind. Erlösung. Eter- 
bend legt er die Hand seiner Geliebten in 
die seines Freundes. Er weist sie geborgen 
— Vura keiner Väter gerettet und 
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