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aus aufmerksam, daß der Untersuchungsrichter in
seinem Bericht diese Empfangnahme des Dar
lehens als Unterschlagung qualifiziert, jedoch auf
Seite 175 des Untersuchüngsberichtes bereits her
vorgehoben und nachdrücklich betont hat, daß die
Unzuständigkeit des hiesigen Gerichtes zweifellos
erkannt werden müsse.
Die Unterschlagung sei aus schweizerischem
Gebiete vor sich gegangen von einem Schweizer
als Täter. Carbone ist ja Schweizer. Meine Her
ren, diesen Einwand der Unzuständigkeit, es ist
meine Pflicht, muß auch ich festhalten, fei es, daß
Sie Unterschlagung oder Veruntreuung anneh
men, wie der Herr Untersuchungsrichter, oder
sei es auch, daß Sie Betrug annehmen, wie der
Herr Staatsanwalt. Es fehlt aber auch materiell
der rechtsgenügliche Beweis für Betrug. Nach
Darlegung des Herrn Staatsanwaltes, speziell aus
Seite 17 seiner Anklageschrift mutz angenommen
werden . . . die mündlichen Verhandlungen haben
nicht restlos Klärung gebracht. . . daß eine Ver
einbarung bestand, daß Carbone gewisse Beträ
ge als Darlehen behalten konnte, einen Teil dazu
noch für Spesen. Für letztere hatte er nun nach
schweizerischem Rechte, sei es Obligationen- oder
Zivilrecht, Retentionsrecht geltend zu machen.
Daß Carbone diese Beträge als Darlehen behalten
konnte, damit waren auch die anderen Beklagten
einverstanden gewesen, sicher zu jener Zeit, als
sie ihm weiterhin ihr Zutrauen schenkten und ihn
weiter mit Austrägen betrauten. Aber das spielt
ja keine Rolle. Mir scheint, das Entscheidende
liegt doch darin, daß materiellrechtlich genommen,
ein Darlehen in Frage stand. Dieses Darlehen ist
anerkannt durch meinen Klienten, anerkannt durch
die hiesige Sparkasse, durch den Schweizerischen
Bankverein, durch alle hier in Betracht fallenden
Personen. Da stehe ich aus dem Standpunkte,
daß es bei Darlehen keine Unterschlagung gibt.
Der Begriff des Darlehens nach schweizerischem
Obligationenrecht ist die Uebereignung einer Geld
summe zu Eigentum. Ich werde Eigentümer des
erhaltenen Betrages. Ich habe die Verpflichtung
diesen Betrag wieder zurückzugeben, tantundem
eiusdem generis, wie man zu sagen pflegt, ich
muß nur zurückgeben gleicher Art und gleich viel,
aber nicht idem, nicht Dasselbe. Ich habe das
Eigentum am Gelde erworben und an diesem zu
Eigentum erworbenen Gelde gibt es nach meiner
Auffassung, und ich glaube auch nach der Litera
tur, keine Unterschlagung. Ich möchte in dieser
Richtung, gerade weil es sich' um Begangenschaf-
ten auf Züricher Gebiet handelt, auf die dortige
Praxis und die dortige Literatur hinweisen und
zitiere Nr. 361 und 362 aus „Die Rechtsprechung
zum Strafgesetzbuch für den Kanton Zürich" von
Rechtsanwalt I. Köpsli, welche Zusammenstel
lung im Jahre 1929, also ganz neu, erschienen ist.
Auf Pag. 108 daselbst finden Sie den Entscheid
aus Blatter für Zürcherische Rechtsprechung XXV
Nr. 8, und aus Rechenschaftsbericht des Oberge
richts 1925 Nr. 127. Es heißt da, die Verwendung
zuviel empfangenen Lohnes, ist keine Unterschla
gung, weil der Empfänger Eigentum an den Geld
stücken erworben hat. Ferner, wenn einer nach
träglich bemerkt, daß sein Schuldner ihm ver
sehentlich eine größere Summe Geldes als die
geschuldete übergeben hat und dieses Geld ver
braucht, macht er sich einer Unterschlagung nicht
schuldig, weil er sich nicht eine fremde Sache an
eignete. Es ist hier also restlos zum Ausdruck
gebracht, nach Zürcherischem Strafrecht gibt es
bezüglich des zu Eigentum erworbenen Geldes
keine Unterschlagung. Der Herr Staatsanwalt geht
weiter als der Untersuchungsrichter, oder sagen
wir, er nimmt einen andern Weg, wenn er er
klärt, es liege hier Betrug vor. Mein Kollege Herr
Dr. Rittmeher hat sich bereits mit dieser Auffas
sung hübsch und treffend auseinandergesetzt. Ich
mache seine Ausführungen zu den meinigen. Das
Haüptargiument des Staatsanwaltes liegt in Pag.
17 der Anklage, wo der Staatsanwalt schreibt:
Carbone erhielt den Betrag und hat ihn trotz
Kenntnis, daß seine Spesen außerordentlich hoch
seien, ganz für sich gebraucht und nichts davon an
die Bank abgeliefert, schon vor Beschaffung! des
Darlehens hatte er sich mit Beck und Thönh ver
standen, daß er von den Erlösen den größten
Teil für sich brauche". Meine Herren, wenn diese
Ausführungen des Herrn Staatsanwaltes die
Grundlage für den Betrug bilden sollten, daß
Carbone diese Vereinbarung hatte, den größten
Teil des Geldes für sich behalten zu dürfen, wo
bei der Rest doch zweifellos in Spesen aufging,
wie wir wissen, dann sehe ich nicht ein, wie Car
bone bei Ausnahme dieses Darlehens einen Be
trug begangen, eine betrügerische Absicht gehabt
haben soll. Denn dann war- doch Carbone gerade
nach dieser Darlegung des Staatsanwaltes eben
berechtigt, gemäß Vereinbarung das Geld für
sich zu behalten. Das weitere Argument mit dem
Hinweis aus diese Blanko-Bürgschaft beweist
ebensowenig. Der Staatsanwalt operiert: Car
bone hat eine Blanko-Bürgschaft, Schuldner und
Gläubiger waren dort nicht aufgeführt. Das ist
höchst sonderbar und hätte Carbone doch auffal
len müssen, da Bürgschaft nie ohne Kenntnis des
Gläubigers aufgenommen wird. Das stimmt nicht.
Die Frage wäre zu stellen: Hat es Carbone ge
merkt, nicht hätte er es merken müssen und wie
beweise ich ihm das strikte, nicht einfach, ich nehme
an, er hätte es merken sollen. Hier kann man ruhig
antworten, Carbone hat es nicht gemerkt, wie so
viele andere Leute dies auch nicht merken, weil
Blanko-Geschichten dieser Art doch nichts Auf
fallendes sind. Das Wesentliche bei dieser Blan
ko-Bürgschaft ist doch nicht das, daß ich den Gläu
biger vermisse und mir dies ausfallen muß, son
dern daß . ich den Schuldner kenne, und weiß für
wessen Schuld ich bürgen muß> daß ich den Schuld
ner, seine Vertrauenswürdigkeit kenne. Die Tat
sache, daß der Gläubiger hier nicht aufgeführt
ist, ist jedenfalls kein zwingendes Argument, um
daraus einen Betrug zu Lasten Carbones kon