Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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aus aufmerksam, daß der Untersuchungsrichter in 
seinem Bericht diese Empfangnahme des Dar 
lehens als Unterschlagung qualifiziert, jedoch auf 
Seite 175 des Untersuchüngsberichtes bereits her 
vorgehoben und nachdrücklich betont hat, daß die 
Unzuständigkeit des hiesigen Gerichtes zweifellos 
erkannt werden müsse. 
Die Unterschlagung sei aus schweizerischem 
Gebiete vor sich gegangen von einem Schweizer 
als Täter. Carbone ist ja Schweizer. Meine Her 
ren, diesen Einwand der Unzuständigkeit, es ist 
meine Pflicht, muß auch ich festhalten, fei es, daß 
Sie Unterschlagung oder Veruntreuung anneh 
men, wie der Herr Untersuchungsrichter, oder 
sei es auch, daß Sie Betrug annehmen, wie der 
Herr Staatsanwalt. Es fehlt aber auch materiell 
der rechtsgenügliche Beweis für Betrug. Nach 
Darlegung des Herrn Staatsanwaltes, speziell aus 
Seite 17 seiner Anklageschrift mutz angenommen 
werden . . . die mündlichen Verhandlungen haben 
nicht restlos Klärung gebracht. . . daß eine Ver 
einbarung bestand, daß Carbone gewisse Beträ 
ge als Darlehen behalten konnte, einen Teil dazu 
noch für Spesen. Für letztere hatte er nun nach 
schweizerischem Rechte, sei es Obligationen- oder 
Zivilrecht, Retentionsrecht geltend zu machen. 
Daß Carbone diese Beträge als Darlehen behalten 
konnte, damit waren auch die anderen Beklagten 
einverstanden gewesen, sicher zu jener Zeit, als 
sie ihm weiterhin ihr Zutrauen schenkten und ihn 
weiter mit Austrägen betrauten. Aber das spielt 
ja keine Rolle. Mir scheint, das Entscheidende 
liegt doch darin, daß materiellrechtlich genommen, 
ein Darlehen in Frage stand. Dieses Darlehen ist 
anerkannt durch meinen Klienten, anerkannt durch 
die hiesige Sparkasse, durch den Schweizerischen 
Bankverein, durch alle hier in Betracht fallenden 
Personen. Da stehe ich aus dem Standpunkte, 
daß es bei Darlehen keine Unterschlagung gibt. 
Der Begriff des Darlehens nach schweizerischem 
Obligationenrecht ist die Uebereignung einer Geld 
summe zu Eigentum. Ich werde Eigentümer des 
erhaltenen Betrages. Ich habe die Verpflichtung 
diesen Betrag wieder zurückzugeben, tantundem 
eiusdem generis, wie man zu sagen pflegt, ich 
muß nur zurückgeben gleicher Art und gleich viel, 
aber nicht idem, nicht Dasselbe. Ich habe das 
Eigentum am Gelde erworben und an diesem zu 
Eigentum erworbenen Gelde gibt es nach meiner 
Auffassung, und ich glaube auch nach der Litera 
tur, keine Unterschlagung. Ich möchte in dieser 
Richtung, gerade weil es sich' um Begangenschaf- 
ten auf Züricher Gebiet handelt, auf die dortige 
Praxis und die dortige Literatur hinweisen und 
zitiere Nr. 361 und 362 aus „Die Rechtsprechung 
zum Strafgesetzbuch für den Kanton Zürich" von 
Rechtsanwalt I. Köpsli, welche Zusammenstel 
lung im Jahre 1929, also ganz neu, erschienen ist. 
Auf Pag. 108 daselbst finden Sie den Entscheid 
aus Blatter für Zürcherische Rechtsprechung XXV 
Nr. 8, und aus Rechenschaftsbericht des Oberge 
richts 1925 Nr. 127. Es heißt da, die Verwendung 
zuviel empfangenen Lohnes, ist keine Unterschla 
gung, weil der Empfänger Eigentum an den Geld 
stücken erworben hat. Ferner, wenn einer nach 
träglich bemerkt, daß sein Schuldner ihm ver 
sehentlich eine größere Summe Geldes als die 
geschuldete übergeben hat und dieses Geld ver 
braucht, macht er sich einer Unterschlagung nicht 
schuldig, weil er sich nicht eine fremde Sache an 
eignete. Es ist hier also restlos zum Ausdruck 
gebracht, nach Zürcherischem Strafrecht gibt es 
bezüglich des zu Eigentum erworbenen Geldes 
keine Unterschlagung. Der Herr Staatsanwalt geht 
weiter als der Untersuchungsrichter, oder sagen 
wir, er nimmt einen andern Weg, wenn er er 
klärt, es liege hier Betrug vor. Mein Kollege Herr 
Dr. Rittmeher hat sich bereits mit dieser Auffas 
sung hübsch und treffend auseinandergesetzt. Ich 
mache seine Ausführungen zu den meinigen. Das 
Haüptargiument des Staatsanwaltes liegt in Pag. 
17 der Anklage, wo der Staatsanwalt schreibt: 
Carbone erhielt den Betrag und hat ihn trotz 
Kenntnis, daß seine Spesen außerordentlich hoch 
seien, ganz für sich gebraucht und nichts davon an 
die Bank abgeliefert, schon vor Beschaffung! des 
Darlehens hatte er sich mit Beck und Thönh ver 
standen, daß er von den Erlösen den größten 
Teil für sich brauche". Meine Herren, wenn diese 
Ausführungen des Herrn Staatsanwaltes die 
Grundlage für den Betrug bilden sollten, daß 
Carbone diese Vereinbarung hatte, den größten 
Teil des Geldes für sich behalten zu dürfen, wo 
bei der Rest doch zweifellos in Spesen aufging, 
wie wir wissen, dann sehe ich nicht ein, wie Car 
bone bei Ausnahme dieses Darlehens einen Be 
trug begangen, eine betrügerische Absicht gehabt 
haben soll. Denn dann war- doch Carbone gerade 
nach dieser Darlegung des Staatsanwaltes eben 
berechtigt, gemäß Vereinbarung das Geld für 
sich zu behalten. Das weitere Argument mit dem 
Hinweis aus diese Blanko-Bürgschaft beweist 
ebensowenig. Der Staatsanwalt operiert: Car 
bone hat eine Blanko-Bürgschaft, Schuldner und 
Gläubiger waren dort nicht aufgeführt. Das ist 
höchst sonderbar und hätte Carbone doch auffal 
len müssen, da Bürgschaft nie ohne Kenntnis des 
Gläubigers aufgenommen wird. Das stimmt nicht. 
Die Frage wäre zu stellen: Hat es Carbone ge 
merkt, nicht hätte er es merken müssen und wie 
beweise ich ihm das strikte, nicht einfach, ich nehme 
an, er hätte es merken sollen. Hier kann man ruhig 
antworten, Carbone hat es nicht gemerkt, wie so 
viele andere Leute dies auch nicht merken, weil 
Blanko-Geschichten dieser Art doch nichts Auf 
fallendes sind. Das Wesentliche bei dieser Blan 
ko-Bürgschaft ist doch nicht das, daß ich den Gläu 
biger vermisse und mir dies ausfallen muß, son 
dern daß . ich den Schuldner kenne, und weiß für 
wessen Schuld ich bürgen muß> daß ich den Schuld 
ner, seine Vertrauenswürdigkeit kenne. Die Tat 
sache, daß der Gläubiger hier nicht aufgeführt 
ist, ist jedenfalls kein zwingendes Argument, um 
daraus einen Betrug zu Lasten Carbones kon
	        

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