klagten würdige und aus dieser heraus ihn zu be
greifen suche. In dieser Richtung möchte ich vor
ab betonen, daß die Stellung meines Klienten
von derjenigen der übrigen Angeklagten so grund
verschieden wie nur möglich ist und daß man ihm
deshalb unrecht täte, wenn man ihn nach gleichem
Matze messen wollte. Vergessen Sie nicht, er ist,
um dies in erster Linie anzuführen, der Jüngste
von allen Vieren, indem die Mitangeklagten fünf
bis zehn Jahre älter sind als er. Damals, als
man im Herbste 1926 an ihn herantrat, zählte er
ganze 25Vs Jahre. Meine Herren, kein Mensch,
er mag sich einbilden was er will, mag erzogen
sein wie er will, wird behaupten dürfen, datz er
mit jenen Jahren eine gereiste Lebenserfahrung
besitze. Das sind doch die Jahre, von denen Schil
ler gesagt hat: „Zn den Ozean mit tausend Masten
schifft der Jüngling". Und wenn in diesem ju
gendlichen Alter mein Klient Fehltritte began
gen hat, all zu optimistisch war, so war dies
eben das Erbe jener Jahre. Ich betone das, da
mit der Richter sich dies vor Augen halte und
zwei und drei Mal sich überlege, ob er von diesem
Gesichtspunkte aus vielleicht bei jedem Tat
bestände Betrug annehmen will, oder aber sich
nicht vielmehr sage, die Sache lätzt sich oft wesent
lich p-nders erklären als dies nachträglich manch
mal aussieht. Atan hat so viel geredet und
Wesens gemacht aus den kaufmännischen Fähig
keiten meines Klienten damals. Er hat Ihnen
mit Recht zur Antwort gegeben, damals, als ich
25 Jahre alt war, glaubte ich ein grotzer Kauf
mann zu sein. Die bittere Lebenserfahrung hat
mir gezeigt, datz das nicht der Fall ist. Meine
Herren! Wir, die älter sind, wissen, mit 26 Jah
ren ist man in Gottes Namen ja kein Stinnes
senior, vielleicht ein junior, und daraus erklärt
sich so vieles auch in dieser Richtung.. Also spre
chen wir nicht gleich diesen Jahren den guten
Glauben ab, wie es so stark geschehen ist. Eine
Sonderstellung nimmt auch mein Klient ein in
punkto seiner Erziehung, dem Milieu, dem er
entstammt, dem ganzen Vorleben nach. Sie sind
darüber genügend aufgeklärt. Sie wissen, wie er
selbst geschildert hat, datz er gewissermahen fremd
in diese Welt hineingestellt worden ist, ohne Va
ter und Mutter im eigentlichen Sinne des Wor
tes sein eigen nennen zu können; wie er ohne
Heim war, mit Kammerzofen, Gouvernanten,
seine Jugendjahre verbringen mutzte, bei frem
den Leuten den Unterricht genotz, in Prunk und
Reichtum auserzogen wurde, nichts anderes vor
Augen sah. Greisen wir nur das eine heraus, wie
er vom 14. bis 22. Alterjahr im Grand Hotel
Dolder lebte, in jenem Hotel, von dem der Kam
merpräsident Künzig später schrieb: „zu einer
Wohnungsveränderung nach dem Hotel Dolder
kann ich Ihnen nicht raten, unwillkürlich kommt
man hat es gemacht durch falsche Angaben, ge-
immer Geld." Meine Herren! Das war sehr wahr,
aber mein Klient wuhte das mit seinen 14 Jah
ren nicht, konnte das damals nicht begreifen, hat
vor allem die Verantwortung hiesür nicht zu tra- 1
gen. Und. wenn man so vielfach ihm vorwirft, !
wie er Geld verpratzte, auf hohem Fuhe gelebt
muh man, um diese Sonderstellung des Ange
klagten zu begreifen, an diese Jugendgeschichte
dieses Menschen erinnern. Dazu, meine Herren,
war er der Sohn eines großen Erfinders, dem
seine Patente Millionen eingetragen haben und
die dem Vater und der Mutter dieses fürstliche
Leben zu führen gestatteten, wie wir es den Ak
ten entnommen haben. Wozu will man sich bei
dieser Situation aufregen über die Fr. 100—,
die der Mann pro Tag gebraucht habe. Das ist
ja natürlich so selbstverständlich gewesen, wenn
man diese Verhältnisse, diese Entwicklung der
Dinge betrachtet. Es fehlt gerade noch, datz man
auch den Speisezettel eingesehen, um zu kontrol
lieren, wie es in dieser Richtung, mit der Küche
bestellt , war. Wer sich dafür interessiert, um das
nebenbei zu bemerken, der mag die 43 Hotelrech
nungen aus dem Akt. Fasz. 17 entnehmen und
da wird er sehen, datz diese Angaben meines
Klienten sogar wesentlich irrtümlich sind und stark
übertrieben waren. Er hat das Appartement mit
Fr. 25 — pro Tag bekommen, ein Ausnahmepreis
deshalb, weil die ganze Familie Carbone früher
sechs Jahre lang im Dolder wohnte, und da sehen
Sie weiter, was die Repassage gekostet hat, das«
Telefon, die Cigarren, die er rauchte — mit all«
dem kommen Sie pro Tag aus den Betrag, wenn«
Sie tue Rechnung ansehen von Fr. 40—, Fr.»
50.—, wenn besonders viel Telefongespräche wa-M
ren aus Fr. 72 — und so geht es fort. In dieser W
Richtung mutz man etwas vernünftig sein, die«
Sonderstellung meines Klienten begreifen. Wer»
hätte es anders gemacht, der so erzogen und in «
solcher Weise groß geworden wäre. Daraus er-M
klärt sich auch all das, was wir unter dem Namen «
Verschwender zusammenfassen und was wir als»
Bruder Leichtsinn zu bezeichnen Pflegen. Es«
ist wahrhaftig hier zu begreifen. Eine Sonder-«
stellung nimmt dann mein Klient ein, das muH »
auch betont werden, bezüglich seiner Stellung zu»
dem Lande, dessen Gefangener er seit mehr als»
Jahresfrist ist. Goethe hat einmal gesagt: Wer«
kein Vaterland kennt, dem fehlt der Matzstab für«
fremde Länder. Dieses tiefwahre Wort hat sich «
so restlos wie vielleicht nie für meinen Klienten«
erfüllt. Er stand Liechtenstein vollständig fremd M
gegenüber, diesem Land, diesem Volk, seinen Auf- M
sassiungen, allem vollständig fremd, ohne jedes»
Verständnis. Wie ganz anders die drei anderen M
Beklagten, die mit diesem Land bekannt waren, M
die es ihr Heim nennen, ihr Vaterland, die das M
Volt kennen,, seine Verhältnisse, seine Bedingun-M
gen. Meine Herren, auch in dieser Richtung bitte M
ich Sie sehr, wollen Sie diesen Gesichtspunkt nicht M
auher Acht lassen. Es war deshalb nicht umsonst, M
als Thönh in offener Weise erklärte: „Niemand M
ahnte etwas, nur Walser, Beck und ich waren ein- M
geweiht.' Das ist ein großes Wort, das damals M
von ihm gefallen ist und das er nie ursprünglich M