Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

klagten würdige und aus dieser heraus ihn zu be 
greifen suche. In dieser Richtung möchte ich vor 
ab betonen, daß die Stellung meines Klienten 
von derjenigen der übrigen Angeklagten so grund 
verschieden wie nur möglich ist und daß man ihm 
deshalb unrecht täte, wenn man ihn nach gleichem 
Matze messen wollte. Vergessen Sie nicht, er ist, 
um dies in erster Linie anzuführen, der Jüngste 
von allen Vieren, indem die Mitangeklagten fünf 
bis zehn Jahre älter sind als er. Damals, als 
man im Herbste 1926 an ihn herantrat, zählte er 
ganze 25Vs Jahre. Meine Herren, kein Mensch, 
er mag sich einbilden was er will, mag erzogen 
sein wie er will, wird behaupten dürfen, datz er 
mit jenen Jahren eine gereiste Lebenserfahrung 
besitze. Das sind doch die Jahre, von denen Schil 
ler gesagt hat: „Zn den Ozean mit tausend Masten 
schifft der Jüngling". Und wenn in diesem ju 
gendlichen Alter mein Klient Fehltritte began 
gen hat, all zu optimistisch war, so war dies 
eben das Erbe jener Jahre. Ich betone das, da 
mit der Richter sich dies vor Augen halte und 
zwei und drei Mal sich überlege, ob er von diesem 
Gesichtspunkte aus vielleicht bei jedem Tat 
bestände Betrug annehmen will, oder aber sich 
nicht vielmehr sage, die Sache lätzt sich oft wesent 
lich p-nders erklären als dies nachträglich manch 
mal aussieht. Atan hat so viel geredet und 
Wesens gemacht aus den kaufmännischen Fähig 
keiten meines Klienten damals. Er hat Ihnen 
mit Recht zur Antwort gegeben, damals, als ich 
25 Jahre alt war, glaubte ich ein grotzer Kauf 
mann zu sein. Die bittere Lebenserfahrung hat 
mir gezeigt, datz das nicht der Fall ist. Meine 
Herren! Wir, die älter sind, wissen, mit 26 Jah 
ren ist man in Gottes Namen ja kein Stinnes 
senior, vielleicht ein junior, und daraus erklärt 
sich so vieles auch in dieser Richtung.. Also spre 
chen wir nicht gleich diesen Jahren den guten 
Glauben ab, wie es so stark geschehen ist. Eine 
Sonderstellung nimmt auch mein Klient ein in 
punkto seiner Erziehung, dem Milieu, dem er 
entstammt, dem ganzen Vorleben nach. Sie sind 
darüber genügend aufgeklärt. Sie wissen, wie er 
selbst geschildert hat, datz er gewissermahen fremd 
in diese Welt hineingestellt worden ist, ohne Va 
ter und Mutter im eigentlichen Sinne des Wor 
tes sein eigen nennen zu können; wie er ohne 
Heim war, mit Kammerzofen, Gouvernanten, 
seine Jugendjahre verbringen mutzte, bei frem 
den Leuten den Unterricht genotz, in Prunk und 
Reichtum auserzogen wurde, nichts anderes vor 
Augen sah. Greisen wir nur das eine heraus, wie 
er vom 14. bis 22. Alterjahr im Grand Hotel 
Dolder lebte, in jenem Hotel, von dem der Kam 
merpräsident Künzig später schrieb: „zu einer 
Wohnungsveränderung nach dem Hotel Dolder 
kann ich Ihnen nicht raten, unwillkürlich kommt 
man hat es gemacht durch falsche Angaben, ge- 
immer Geld." Meine Herren! Das war sehr wahr, 
aber mein Klient wuhte das mit seinen 14 Jah 
ren nicht, konnte das damals nicht begreifen, hat 
vor allem die Verantwortung hiesür nicht zu tra- 1 
gen. Und. wenn man so vielfach ihm vorwirft, ! 
wie er Geld verpratzte, auf hohem Fuhe gelebt 
muh man, um diese Sonderstellung des Ange 
klagten zu begreifen, an diese Jugendgeschichte 
dieses Menschen erinnern. Dazu, meine Herren, 
war er der Sohn eines großen Erfinders, dem 
seine Patente Millionen eingetragen haben und 
die dem Vater und der Mutter dieses fürstliche 
Leben zu führen gestatteten, wie wir es den Ak 
ten entnommen haben. Wozu will man sich bei 
dieser Situation aufregen über die Fr. 100—, 
die der Mann pro Tag gebraucht habe. Das ist 
ja natürlich so selbstverständlich gewesen, wenn 
man diese Verhältnisse, diese Entwicklung der 
Dinge betrachtet. Es fehlt gerade noch, datz man 
auch den Speisezettel eingesehen, um zu kontrol 
lieren, wie es in dieser Richtung, mit der Küche 
bestellt , war. Wer sich dafür interessiert, um das 
nebenbei zu bemerken, der mag die 43 Hotelrech 
nungen aus dem Akt. Fasz. 17 entnehmen und 
da wird er sehen, datz diese Angaben meines 
Klienten sogar wesentlich irrtümlich sind und stark 
übertrieben waren. Er hat das Appartement mit 
Fr. 25 — pro Tag bekommen, ein Ausnahmepreis 
deshalb, weil die ganze Familie Carbone früher 
sechs Jahre lang im Dolder wohnte, und da sehen 
Sie weiter, was die Repassage gekostet hat, das« 
Telefon, die Cigarren, die er rauchte — mit all« 
dem kommen Sie pro Tag aus den Betrag, wenn« 
Sie tue Rechnung ansehen von Fr. 40—, Fr.» 
50.—, wenn besonders viel Telefongespräche wa-M 
ren aus Fr. 72 — und so geht es fort. In dieser W 
Richtung mutz man etwas vernünftig sein, die« 
Sonderstellung meines Klienten begreifen. Wer» 
hätte es anders gemacht, der so erzogen und in « 
solcher Weise groß geworden wäre. Daraus er-M 
klärt sich auch all das, was wir unter dem Namen « 
Verschwender zusammenfassen und was wir als» 
Bruder Leichtsinn zu bezeichnen Pflegen. Es« 
ist wahrhaftig hier zu begreifen. Eine Sonder-« 
stellung nimmt dann mein Klient ein, das muH » 
auch betont werden, bezüglich seiner Stellung zu» 
dem Lande, dessen Gefangener er seit mehr als» 
Jahresfrist ist. Goethe hat einmal gesagt: Wer« 
kein Vaterland kennt, dem fehlt der Matzstab für« 
fremde Länder. Dieses tiefwahre Wort hat sich « 
so restlos wie vielleicht nie für meinen Klienten« 
erfüllt. Er stand Liechtenstein vollständig fremd M 
gegenüber, diesem Land, diesem Volk, seinen Auf- M 
sassiungen, allem vollständig fremd, ohne jedes» 
Verständnis. Wie ganz anders die drei anderen M 
Beklagten, die mit diesem Land bekannt waren, M 
die es ihr Heim nennen, ihr Vaterland, die das M 
Volt kennen,, seine Verhältnisse, seine Bedingun-M 
gen. Meine Herren, auch in dieser Richtung bitte M 
ich Sie sehr, wollen Sie diesen Gesichtspunkt nicht M 
auher Acht lassen. Es war deshalb nicht umsonst, M 
als Thönh in offener Weise erklärte: „Niemand M 
ahnte etwas, nur Walser, Beck und ich waren ein- M 
geweiht.' Das ist ein großes Wort, das damals M 
von ihm gefallen ist und das er nie ursprünglich M
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.