Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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legt. Das ist kein Betrug, wenn jemand sich selbst bereichert 
oder einen Dritten oder andere. Wenn jemand einen Dritten 
schädigt und nachher, nachdem er die Ursache des Schadens 
selbst gesetzt hat, ben Geschädigten oder einen anderen über 
diese Tatsachen in Irrtum versetzt, das ist kein Betrug, das 
kann ein Diebstahl sein, das kann eine Veruntreuung sein, 
aber es ist niemals ein Betrug. Es muß die Staatsanwält- 
schast sagen, und da haben wir Klarheit der Ausführungen 
vermißt, die Staatsanwaltschaft muß bei ihren Anklage» 
Herrn Thöny und den anderen Angeklagten gegenüber be 
haupten und beweisen, der Herr Thöny habe irgend jeman 
den i» einen Irrtum versetzt oder in Unwissenheit lind er habe 
diesen betreffenden Getäuschten, im Irrtum befindlichen, da 
durch zu einem Verhalten oder zu einen. Unterlassen veran 
laßt, was den eine» von Thöny beabsichtigte» Schade» herbei 
geführt «habe. Wir werden nachher zu nntersuchen haben, 
ob die Staatsanwaltschaft nach dieser Richtung taugliche Be 
hauptungen gebracht hat. Ich will jetzt schon darauf hinweisen, 
daß diese Ausführungen, die ich hier gemacht habe, sich durch 
aus decken mit der Ausfassung der Rechtslehre. Ich verweise 
Sie ans das Buch „Grundriß des österr. Strafrechtes von 
Lammasch, 5. Auflage, § 246". Sie finden hier die Aus- 
jührungen auf- Seite 302, 303, 304 nuten, 306 in der Mitte. 
Lanunasch sagt dort: 
„Betrug begeht, wer jemanden durch eine listige Vor 
stellung oder Handlung in Irrtum führt oder durch solche 
Mittel desseg Irrtum benützt, uiu ihn durch den Irrtum zu 
einem Verhalten zu bestimmen, durch welches dieser sich selbst 
oder einem Dritten »mvissentlich einen Schaden zufügen soll. 
Das charakteristische Merkmal, durch welches der Betrug sich 
von anderen Verbrechen unterscheidet, liegt darin, daß der 
Schaden des Betrogenen unmittelbar aus seinem eigenen 
Verhalten entspringt (KH. 4041 OeR. 607), daß dieses sein 
aktives oder auch nur passives Verhalte» jedoch von dem 
Betrüger vorsätzlich, und zwar durch Erregung oder Bestär 
kung eines Irrtums veranlaßt worden ist (Finger II 566). 
Dieser nur mittelbare Kausalzusammenhang zwischen der 
Tat des Betrügers und dem Schaden des Betrogenen be 
gründet eine weitere Aehnlichkeit des Betruges mit der Er 
pressung. Jedoch unterscheiden sich beide Delikte in dieser Be 
ziehung dadurch, daß derjenige, der das Opfer einer Erpres 
sung ist, weiß, daß er eine Handlung vornimmt, durch die 
er sich schädigt, diesen Schaden jedoch als das kleinere von 
zwei Uebeln vorzieht, während der Betrogene nicht weiß, daß 
er sich schädigt." 
Dann ans Seite 3,03: fliest). 
Der Betrogene muß selbst sich schädige», und zwar des 
halb, weil er sich in einem Irrtum befindet, de» der Betrüger 
entweder verursacht oder ivissentlich aufrocht erhalte» und be 
nützt hat. 
Auf Seite 304 unten heißt es: „Der Klausalznsammen- 
hang zwischen einer Tätigkeit des Angeklagte» und einem 
Schaden des angeblich Betrogenen genügt nicht zur Zurech 
nung des Betruges, es muß zu ihm noch ein ursächlicher Zu 
sammenhang zwischen der Tätigkeit des Betrügers und der 
Entstehung oder dem Fortbestände jenes Irrtumes hinzukom- 
anen, infolgedessen der Betrogene die schädigende Handlung 
vornimmt." 
Es muß der Betrogene die schädigende Handlung vor 
nehmen, niemals wenn der Täter die schädigende Handlung 
vornimmt, es sei ihm jetzt gestattet worden, auf Grund eines 
Irrtums, den er verursacht habe, sonst niemals ist das.ein Be 
trug. Es sann etwas anderes, es kann Diebstahl, Raub sein, i 
kann unlauterer Gebrauch einer Sache sein, aber das ist kein 
Betrug. 
Und endlich auf Seite 306: „Betrug liegt nicht vor, 
wen» die Täuschung bloß den Zweck verfolgt, dem Täter Ge 
legenheit zu verschaffen, damit er durch eine weitere Handlung 
von seiner Seite den andern schädige, zum Beispiel damit er 
in die Lage versetzt werde, zu veruntreuen (SSt. I 80) oder 
damit er eine fremde Sache entwenden könne (KH. 3934, 
4281, 48/20). Die Täuschung muß fick; auf die Motive des ^ 
Getäuschten beziehen, durch welche er zu seinen, Verhalten 
zum Beispiel zum Abschlüsse des betressende» Rechtsgeschäf- 
teZ, bestimmt werden soll." 
Hoher Gerichtshof! Meine Herren! Mir scheinen diese 
Ausführungen durchaus klar zu sein und angesichts des Wort- - 
lautes, des Sinnes des österreichischen Strafgesetzbuches kann 
ich schlechterdings nicht verstehen, wie im vorliegenden Falle so 
umfassend die Behauptung des Betruges erhoben werden 
konnte. Es gibt einzelne Tatbestände, bei denen.der Betrug 
angenommen werden konnte, wo Thöny beispielsweise als 
Inhaber der Verfügnngsmacht betrogen lind veranläßt wor 
den ist, auf Grund seines Irrtums zu handeln und zu schädi 
gen. Das sind FrrtumStatbestände, aber nirgends liegt ein 
Irrtum vor zu Lasten des Thöny da, wo er gehandelt hat. 
Ich werde weiters daraus zurückkommen. Die Anklage nennt 
dann auch einen Tatbestand des § 201, lit. a, den wir als 
Urkundenfälschung zu bezeichne» Pflegen, ohne das; er irgend 
welche Ausführungen darüber gemacht hat. Ich enthalte inich 
auch einer Antwort auf diese Bemerkung. M. E. liegen die 
Voraussetzungen zu Artikel 201, lit. a, nicht vor. Es wird 
dann in merkwürdiger Weise, trotz der Aufklärung, .die wir 
im Verlaufe der Verhandlungen erhalten haben, ansrecht er 
halten die Klage nach § 201, lit cl. Es wird meinen, Klienten 
vorgeworfen, daß er sich hinter einem falschen Schein ver 
borgen habe, hinter dem falschen Schein des voll Verfügungs 
berechtigten verbürge». Hat er das getan? Hat er irgend 
jemanden durch Vorspiegelung der übrigens nicht durch die 
Tatsache, aber sagen wir einmal durch die Vorspiegelung der 
Behauptung der Tatsache, er sei unbeschränkt, verfügungsbe 
rechtigt, hab er irgend jemanden getäuscht dadurch und da 
durch veranlaßt, mit ihm eine» Kontrakt einzugehen, de» er 
selbst nicht eingegangen wäre? Wenn das der Fall wäre, 
würde die Sache für die Zivilpartei wesentlich einfacher wer- 
den. 'Sodann wird meinen, Klienten noch vorgeworfen, er 
habe sich der Veruntreuung im Sinne des Artikels 183 des 
St. G. schuldig gemacht. § 183 umschreibt die Veruntreuung 
solgeiidermaßen: 
„Des Verbrechens der Veruntreuung macht sich auch 
derjenige schuldig, welcher außer dein im 8 181 enthaltenen 
Falle ein ihm anvertrautes Gut i» einem Besage von inehr 
als 200 Franken vorenthält oder sich zueignet." 
Das ist eine sehr enge Eingrenzung des Begriffes der 
Vernntreniing, das wird als Unterschlagung bei uns,bezeich 
net. Notivendig ist entweder die Voreiithaltung eines anver 
trauten Gutes oder die Aneignniigsabsicht. Was hat Thöny 
gemacht? Er hat nichts vorenihalten. Er hat nicht? angeeig 
net, sondern er hat über Eigentum der Bank, über Rechte 
der Bank verfügt unter Ueberschreitnng seiner Kompetenz. 
Er war ei» schlechter Bankverwalter, und es gibt immerhin 
Gesetze, welche ihn dafür strafen würden. Aber das Oesterrei 
chische Strafgesetzbuch gehört nicht zu diese» Gesetzen. In 
Deutschland würde er dafür bestraft, da würde seine Tat
	        

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