Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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begründet und ich beantrage daher, daß dieser 
eine Umstand als miterschwerend Lei Dhönh in 
Betracht gezogen werde. 
Präsident: Ich erteile dem Vertreter der pri 
vatbeteiligten Herrn Dr. Budschedl das Wort. 
Dr. Budschedl: Hoher Kriminalgerichtshof! 
Ami'Abend des 27. September, an jenem Unglücks 
sonntag, brach der Hochwasser führende Rhein 
oberhalb der Eifenbahnbrücke Schaan-Buchs in 
das liechtensteinische Rheintal ein. Die Wasser- 
massen drangen in die Ortschaften Schaan, Nen- 
deln und Eschen vor, durchströmten mit unge 
heurer Gewalt die liechtensteinische Gemeinde 
Ruggell und drei Häusergruppen der Gemeinde 
Namprin und setzten mehr als die Hälfte des 
rnchtbaren Talbodens unter Wasser. Die techni- 
chen Schwierigkeiten waren so groß, daß es erst 
am Weihnachtstage 1927 gelang, den Rhein wie 
der in sein Bett zurückzüleiten. Ich will davon 
absehen, die ganze Schwere des Unglückes und 
die trostlosen Eindrücke jener Tage zu schildern. 
Es ist allgemein bekannt, daß sich damals das 
Mitleid der ganzen Welt dem Lande Liechtenstein 
zuwandte. Ich erinnere hier nur an die unver 
zügliche Hilfsbereitschaft der mutigen schweizeri 
schen und österreichischen Soldaten, die von der 
schweizerischen und österreichischen Regierung zur 
Hilfeleistung gesandt wurden, ich erinnere an die 
opferwillige Retterarveit selbstloser Männer aus 
der Schweiz und Vorarlberg, ich 'erinnere hier 
insbesondere an die Opferwilligkeit des Schwei 
zer Publikums, das nahezu 600.000 Franken an 
Hilfsgeldern für Liechtenstein spendete. 
Aber ein noch viel größeres Unglück stand 
bevor. Bei der ersten Katastrophe traf auswärtige 
Hilfe ein, bei der zweiten Katastrophe war das 
gerade Gegenteil der Fall. Mit großen Lettern, 
in großer Ausmachung verkündeten damals die 
Zeitungen die erschütternde Meldung: „Graf Car- 
bone- sprengt die liechtensteinische Ländesbank." 
Tie Wirkungen dieser zweiten Katastrophe waren 
noch viel entsetzlicher: Das ganze Land, das 
ganze . Volk stand vor dem Ruin. — Das 
ganze Land, das ganze Volk wurde davon ergif- 
sen, in Mitleidenschaft gezogen. Die erste Wir 
kung war d ie Insolvenz der Landesvank, die wie 
wir wissen, eine Unterbilanz von 1% Millionen 
Franken auswies. Diese Unterbilanz war umso 
gefährlicher, als.der Bank keine eigenen flüssigen 
Mittel zur Verfügung standen. 
Die schweizerische Post nahm kein liechtenstei 
nisches Silbergeld mehr an. Die Schweizer Na 
tionalbank legte Arrest aus das Guthaben der 
Landesbank in St. Gallen. Neue Einlagen aus die 
Bank erfolgten selbstverständlich nicht mehr. Obli 
gationen und Kreditoren wurden der Bank in 
der Totalhöhe von 300.000 bis 400.00o Fran 
ken gekündigt. Es bestand weiter die große Ge 
fahr, djaß alle Gläubiger, insbesondere die Gläu 
biger des Auslandes die Schuldner dieses un 
glücklichen Landes ebenfalls einberufen werden, 
daß sie ihre Guthaben auch kündigen werden. 
Exekutionen, Not und Elend grinsten in das 
Land. Alan bedenke einmal, die schweizerische Na 
tionalbank, nicht etwa eine ganz gewöhnliche 
Bank, nein, die Nationalbank, deren Korrespon 
dentin -die hiesige Landesbank war, legte Arrest 
auf ein ihr befreundetes Bankinstitut. Diese Tat 
sache beleuchtet besser als Worte es vermögen, die 
furchtbar schreckliche Situation, die große Not. 
Ans Grund des Zollvertrages und der Zollunion 
mit der Schweiz war die Landesbank als Korres 
pondentin der Schweizer Nationalbank die Sam- 
melstelle für Postgelder aus Liechtenstein. Die 
Landesbank führte ein Konto bei der schweizeri 
schen Nationalbank. Die Guthaben mußten alle 
14 Tage und zwar jeweils am 5.. und 20. eines 
jeden Monats an die Nationalbank abgeführt 
werden. Am 5. Juni 1928 war nun das Gut 
haben d er Nationalbank nicht mehr vorhanden. 
Es konnte nicht abgeführt werden. 
/ 
Die schweizerische Bankgesellschaft St. Gallen, 
bei welcher die Landesbank einen größeren Kre 
dit gegen Hinterlage von Hypothekenbriefen hat- - 
te, hatte durch ihre Hauptanstalt in Zürich auf 
die Kunde von der Insolvenz der Bank das bei 
ihr liegende Guthaben, darunter auch die Post 
gelder, mit Beschlag belegt und begreiflicherweise 
gesperrt. Infolgedessen konnte der Auftrag zur 
Ueberweisung der der Nationalbank zukommenden 
Beträge nicht mehr durchgeführt werden. Daher 
hat die Nationalbank notgedrungen für ihr Gut 
haben an Postgeldern Arrest auf das Guthaben 
der Landesbank gelegt. Erst nachdem der Landes- 
ausfchuß und die Regierung in aller Oeffentlich- 
keit feierlich erklärt, daß -das Land die primäre 
Haftung für alle Schulden der Bank übernehme, 
während dem nach dem Gesetze das Land erst 
sekundär zu hasten hatte, nachdem durch die Mu- 
nisizienz seiner. Durchlaucht des Landesfürsten 
und durch die Solidarität der Gemeinden die 
Avssyllshaftung für den Betrag von H/2 Millio 
nen Franken übernommen war, erst dann konnte 
der Arrest aufgehoben werden. Erst dann trat 
etwas Beruhigung ein, wobei die besonders wür 
devolle Haltung der Bevölkerung volle Anerken 
nung verdient. 
Die für' die Opfer der Rheinkatastrophe ge 
sammelten Hilfsgelder von 500.000 Franken, die 
ber Ausbruch der Katastrophe nicht mehr vorhan 
den waren, über die zum Zwecke der Durchfüh 
rung dieser Spekulationen und Manipulationen 
verfügt worden war, konnten erst nach Aufnahme 
der zwei Millionen Laudesauleihe ausbezahlt wer 
den. 
Eine weitere Folge blieb zurück: Die Post 
gelder Der Nationalbank sind nicht mehr nach Va 
duz gekommen, sie sind nach Buchs gewandert. 
Jeden zweiten Tag mußte die Landesbank nach 
Buchs schicken, um ihr liechtensteinisches Silber 
geld gegen Schweizer Franken auszutauschen, was 
mit großen Kosten verbunden war. Heute ist die- 
fer Zustand Gott sei Dauk behoben.
	        

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