klimmen nach Einlangen des Gutachtens, abgeschlossen und
könnten zu den Parteivorträgen übergehen.
Ich erteile das Wort Herrn Staatsanwalt Dr. Arthur
Ender.
Staatsanwalt: Herr Präsident!. Hoher Gerichtshof!
Mit Rücksicht darauf, daß das Gutachten der Herren Sach
verständigen über Carbone noch nicht eingelangt ist, mutz
ich mir vorbehalten, nachträglich, nachdem dasselbe dem Ge
richt bekannt wurde, darauf zurückzukommen. Wenn es ange
sichts der Gründlichkeit des Verhöres und der noch nach
folgenden Aktenverlesttng an sich nicht unumgänglich notwen
dig scheint, die Anklage noch des näheren zu begründen, so
sei es mir doch, ungeachtet der in vielen Fällen überein
stimmenden Angäbe der Angeklagten, gestattet, auf einzelnes
noch zurückzukoinmcn und zwar möchte ich diese Angelegenheit
behandeln „sine ira et studio", ohne irgendwelche Voreinge-
noinmenheit und einseitige Einstellung, insbesondere unter
vollständiger Außerachtlassung der politischen Momente, die
vielleicht diesen Prozetz zeitweilig auch berühren, weil ich
der Meinung bin, datz auch noch so hochgehende Wogen der
Erregung sich brechen müssen an den Mauern des Gerichts
gebäudes, und datz auch nicht die Gischt und der Schaum der
Wellen in den Gerichtssaäl hereinspritzen dürfen. Die der An
klage zugrunde liegenden Machenschaften bildeten für das
Land Liechtenstein ein großes Unglück.
Schon im Jahre 1927 hatte das Land unter einem
schweren Unglück zu leiden. Das schaumbedeckte, tolle Kind,
der junge Rhein, der sonst brausend über Fels und Kiesel
springend zu Tale fließt, daß er Dichter zu begeisterten Er
güssen zu bewegen vermochte, gebärdete sich in den September-
tagen des Jahres 1927 derart, daß vielleicht der Chronist
der früheren Zeit wenigemale über' solches zn vermelden
wußte: ungeheure Wasserwogen wälzten sich durch das Rhein
bett, Menschenkraft und -Kunst trotzend, überfluteten sie die
Dämine, die von Natur und Menschenhand gesetzten Schran
ken, die Dämine barsten und graue Wassermassen ergossen sich
auf das Land Liechtenstein, nicht achtend Mensch und Leben,
nicht achtend Hab lind Gut, nicht achtend Felder und Wiesen
und Häuser, und verwüsteten was ihnen im Wege stand.,
Nur ein kleinerer Teil des Landes wurde von diesem Unglück
getroffen, und was menschliche Hilfe tun konnte, nur dieses
Unglück zu lindern, geschah. Vor allein war es der Landes
fürst. weiland Johann der II., dem wohl die Geschichte den
Beinamen „des Guten" schwerlich wird versagen, köiincn,
dann kam auch die Hilfe der benachbarten Länder und Mit
hilfe des Nichtbeschädigten Landestciles. So war es inöglich,
zum größeren Teil diesen Schaden vorübergehend zu lindern
u. dauernd wieder herzustellen. Manches Bäuerlein stand da
mals am Grabe seiner Habe und aus seinen zuckenden
Wimpern stählen sich schimmernde Tränen, weil er , sah, wie
seiner Hände Arbeit über Nacht durch Naturgewält ver
nichtet wurde.
Im Jahre 1928 brach nun neuerlich ein Unglück über
das Land herein. Das hatte nicht mehr seine Ursache dort.
wo brausende Wildbäche sich in die Wogen des Rheines
stürzten, die Ursache lag im Lande; von jenen Stellen, von
denen hätte Hilfe kommen sollen, kam das Unglück. Die Ur
sache lag dort wo man sie äm allerwenigsten hätte erwarten
und wo man sie niemals hätte suchen dürfen. Und dieses
Unglück traf alle, blieb nicht allein beschränkt auf einen.
kleinen Landesteil. Das ganze Land wurde dadurch in Mit-
leidenschaft gezogen. Die armen Bäuerlein unten im Tale und
oben im Berge litten genau so wie der reiche Bauer und wie
der reich begüterte Bürger und wie das arme, alte'Mütter
lein, das Tag für Tag die Rappen zusammengespart hatte,
um einen Franken in die Sparkasse tragen zu können oder
danrit es vielleicht für seinen späteren Lebensabend etwas
habe, oder um seinen Nachkommen noch etwas zu hinter
lassen, damit sein Andenken besser geehrt werde; dieses kleine
Miitterlein litt genau so, wie. das arme Dienstmädchen, daS
jeden Monat einen kleinen Teil feines Lohnes in die Spar-
kasse gelegt hat. Niemand war verschont von: Unglück, der
frenrde Einleger, der Geld brachte, wie der eigene Land
bewohner.
Woher kamen alle diese Sachen?
Ich erinnere an die Hundstagshitze des JahreS 1928.
Damals, am 5. August, kam ein Projekt an daS Licht der
Welt, das aber von seinen beiden Eltern, der Bank Sau
tier, und der Vertriebsunion nicht mit jenem wirtschaft-
lichen Lebensblut ausgestattet hätte werden wollen, daß es
hätte lebensfähig bleiben können. Mit einer heute unver-
stündlichen Hast wurde dieses Projekt erledigt. Am 5. August
kam das Konzessionsgesuch an das Land und schon bereits
am 20. August erfolgte die zustimmende Erledigung
Damit war die erste Klassenlotterie geschaffen. In dieser
ersten Klasscnlotterie waren dem Land bestimmte Vorteile
zugesichert. Es sollte dem Lande eine fixe Summe zukommen
von 100 000 Franken, ein Anteil von 10 Prozent vom ge-
sainten Reingewinn und die jährliche Summe von 10 000
Franken als Entgelt für die Aufsichtsbezahlung der Kom
mission. Danrit glaubte inan, dein Lande Liechtenstein einen
großen Dienst erweisen zu können. Doch, wie gesagt, das
Kind erwies sich nicht als lebensfähig. Schon bereits am
17. Dezember iiiußte der Arzt beigezogen werden, weil eö
sich im Todesröcheln befand. Es wurde damals erklärt, es
solle die Klassenlotteric voiii Lande nicht selbst betrieben
werden, mit der Bank Sautier müsse ein Vergleich geschlossen
und mit dritten Personen ein Vertrag abgeschlossen werden.
Damit glaubte man, dieses Kind unter anderer Vaterschaft
das Leben fristen lassen zu können, aber es gelang nicht
und bereits schon in den folgenden Jähren wurde der amt-
liche Totenschaubefund ausgestellt durch das Urteil des Lan-
desgerichtes Liechtenstein von: 16. März 1926, worin, fest-
gestellt wurde, daß die Unternehmer der Klassenlotterie den
Betrag von 495 000 und etwas Franken an das Land
Liechtenstein zu bezahlen haben. So ward denn diese erste
Klassenlotterie begraben und unmittelbar darauf folgte die
zweite. Schon um die Zeit, als die erste im TodeSröcheln lag,
kam ein Gesuch um eine zweite Konzession und diese wurde
dann tatsächlich auch erteilt am 11. Februar 1926. Auch ihr
war ein langes Leben nicht' beschieden, daraus entwickelte
sich die Zentrofag und nun sind wir mitten in den Gescheh
nissen. Bei der Zentrofag waren die beteiligten Personen,
deren Namen so oft genannt wurden: Kapferer, Bauer. Stop
fer und Grüsscr.. An der Zentrofag an der ersten Klassenlot.
terie war auch beteiligt, hervorragend beteiligt der Angeklagte
Anton Walser. Walser hatte sich der Regierung gegenüber
ausgegeben als. der Generalbevollmächtigte der Vertriebs-
union Triesenberg, 'einer Gesellschaft mit einem Vermögen
von Fr.2000. Bei der Zentrofag war Walser ebenfalls in ganz
besonders'hervorragendem Maße betätigt und der Angeklagte