Volltext: Stenographischer Verhandlungs-Bericht aus dem Kriminalprozess gegen Franz Thöny, Niko Beck, Anton Walser und Rudolf Carbone

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wesentlich zu sein. Wünschen -die Parteien, Laß noch mehr 
verlesen wird? Ich möchte jetzt noch die Klägerschast zur 
Angelegenheit hören.. Dann würde das Gericht hierüber 
eine Besprechung abhalten, nicht im -jetzigen Zeitpunkte, 
sondern ihn Lause des Tages .und es würde dann seine 
Meinung kundgeben. * 
• Staatsanwalt: Zur Frage der Verlesung der Berichte 
über die Klassenlotterie habe ich keinen Einwand zu er 
heben. Auch Nicht dagegen, daß die Berichte nicht verlesen 
werden unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß 
deren Inhalt, insoweit es nötig erscheint/ für die Grund- 
lage,der Parteienanträge dienen darf. ' 
Wegen der Frage: Verzicht auf die Verlesung vdn 
Aktenstücken überhaupt, könnte meines Erachtens nicht 
generell entschieden werden, sondern, nur für den einzel 
nen Fall und für das betreffende Aktenstück. 
Wenn aber eine Regelung, nach der Richtung hin ge 
troffen wird, daß geprüft wird, ob . dieser oder jener Ak 
tenteil doch zur Verlesung kommen soll oder nicht, so bin 
ich gerne bereit zu irgendeinem zu vereinbarenden Zeit 
punkt mitzuarbeiten, damit eine Verkürzung dieser Sache 
durch Verringerung dieser Verlesung ermöglicht werde. 
.Dr'. Ditscher: Ich möchte wissen, was aus der i>inyf= 
Verlesung gefolgert wird ? Ob das zugrunde gelegt werden' 
darf, den Antragen? 
Präsident: Wir werden Uber diese Frage noch das 
gesamte Gericht befragen. Ich werde dann noch im Laufe 
dieses Tages Bescheid geben. Ich möchte die Sitzung jetzt 
nicht unterbrechen. 
Nun wären -wir einig über diesen Punkt. Wir können 
nun mit dem Verhör des Carbone beginnen. 1 
(Carbone wird vorgeführt.) . 
Wir gehen nun zum Verhör des Angeklagten Rudolf 
Carbone über. 
'Präsident: Ich gedenke bei Ihrer Vernehmung wie 
folgt vorzugehen: Persönliches, dann die einzelnen Trans 
aktionen, die -Bürgschaft mit Niko Beck,.dann. die Reisen, 
Wallerstein, dann die Berliner Geschäfte, Koburggeschäft, 
Alexander Justus Tätigkeit, Kapferer, Schwarzwald usw. 
eines nach dem andern. ' 
Erinnern Sie sich noch, .was in der Anklageschrift 
steht? 
Carbone: Ja. 
Präsident: Ich möchte Ihnen in erster Linie die Frage 
unteÄrreiten: Brennen Sie sich schuldig im Sinne der 
Anklageschrift? 
Carbone:. Nein. 
Präsident: Wieso, werden wir im Verlaufe des Ver 
höres vernehmen. - 
Präsident: Sie find geboren am 30. Juni 1900? 
" . Carbone: Ja. “ 
Präsident: Erzählen Sie über Ihre Jugend. 
Carbone: Ich möchte diese Frage, wenn es erlaubt 
wäre, nicht beantwortend Ich bitte mich davon zu befreien. 
Die Frage -ist mir nicht angenehm mit Rücksicht aus meine 
" Familie. 
Präsident: Sie -müssen sich nur ganz kurz über Le- 
^ bensverhältnisse ausfprechen. Es ist nicht notwendig, daß 
Sie über Details Ihrer Familienangehörigen sich aus- 
-fprechen. 
I Aber wenigstens kurz resümieren. 
Sie find wo geboren? 
' Carbone: In Bern. 
Präsident: Sie sind Bürger von Delley, Kanton Frvi- 
burg. Offenbar eingebürgert. 
Carbone: Nein, Papa ist Schweizer' geworden. 
Präsident: Was war'er ursprünglich? 
Carbone: Italiener. . „ 
Präsident: Wo haben Sie Ihre Jugend verlebt? 
Carbone: In verschiedenen Ländern, in der Schweiz, 
England, Frankreich, Deutschland und in Italien einige 
Zeit. - . ' ' . ; , 
Präsident: Welchen Bildungsgang haben Sie durch 
gemacht? 
Carbone: Ich habe > verschiedene Schulen besucht und 
auch Privatunterricht gehabt. . - 
Präsident:.Si« haben die Volksschule besuchten Bern? 
- Carbone: Fa und vorher in Godesberg. Dann das 
Realgymnasium in Bern. 
Präsident: In Zürich haben Sie aucheine Schule 
besucht? -' ~ . ' 
Carbone: Ja, die Handelsschule. 
In Deutschland habe ich noch das sogenannte Ein- 
jährigen-Examen gemacht. In Zürich habe ich dann eine 
Industrieschule besucht, dann noch. eine Handelsschule. . 
Präsident: Welchen Lehrgang haben Sie durchge 
macht?' 
Carbone: Papa hat wollen, daß' ich Chemie studiere. 
Ich habe mich aber nachher mehr dem Kaufmannsstande 
zugewandt. 
Präsident: Haben Sie Ihre kaufmännische Lehre bei 
der Holzhandelsfirma Fuchs in Einsiedeln gemacht? 
Carbone: Nein. Die Holzbranche habe ich kennenge 
lernt, weil Papa während des Krieges größere Waldun 
gen in Bulgarien gekauft hat und ich dort tätig war. 
-Dann wurde durch den Waffenstillstand das Geschäft zu 
nichte, das heißt, es kam schon zustande, aber Pa^r hat 
die Waldungen wieder verkauft.. 
Präsident: Dann sind Sie wieder nach-Berlin? 
Carbone: Ja. 
. Präsident: Und dann haben Sie sich mit Buchhaltung 
und Gefchäftskorrespondenz in. Zürich vertraut gemacht? 
Carbone: Ja, 
Präsident: Als Kaufmann auch angestellt? 
Carbone: Ja. 
Präsident: Dann An ich nach dem Tode von Papa 
nach dem Jahre 1922 zu dem Michael-Konzern, durch einen 
Bekannten meines^, Vaters, den ich in Zürich kennen 
gelernt habe, der auch Direktor beim Michael-Konzern 
war. Dann bin ich in die Vis A.-G. zuerst als Prokurist 
eingetretene 
Präsident: Eine Motorradfabrik? 
Carbone: Ja. Dort habe ich die ganzen Fabriken ge 
leitet. Wir hatten auch einen Benzinvertrieb. Ich habe 
immer eine ganze Vertrauensstellung im Michael-Konzern 
innegehabt und habe Kreditgeschäfte für Michael durch 
geführt. 
Präsident: Warum haben Sie diesen Posten verlassen? 
Carbone: Weil Differenzen bestanden sind zwischen 
Michael und mir, dadurch daß Michael gern ein südameri 
kanisches Geschäft machte mit großen Obligationen von 
holländischer Sprache. Dabei wollte er gerne di« Verbin-
	        

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