StenographWer
aus -em Kriminalprozeß gegen Zranz Thö'np, Niko Leck, /lnton Valser un- Nir-olf Carbone.
1. Ausgabe.
Dienstag, 10. Nov. 1920.
Beginn der Verhandlung 8 Uhr vormittags
Präsident: Dr. Karl Weder.
Es kommt zur Verhandlung das Strafverfahren gegen
Franz Thöny, Anton Walser, Rudolf Carbone und Niko Beck
wegen Betruges imd Veruntreuung.
Der Gerichtsfall beschäftigt seit anfangs Juni 1928 in
Wort und Schrift die liechtensteinische Oeffentlichkeii. Die
Erörterungen über diesen Straffall erreichten an Heftigkeit
gelegentlich den Grad der Siedehitze, und es ist begreiflich,
wenn auch die Gerichtsverhandlungen vom ganzen Volke mit
Spannung verfolgt werden. Vor Beginn unserer veraiU-
wortungsvollen Arbeit gestatte ich mir jedoch, an die Ver
treter der Prozeßparteien, welche kraft ihrer Stellung berufen
sind, bei der Urteilsfindung initzuwirken, die Bitte zu rich
ten, unbeschadet ihrer prozesfualen Rechte ihre Ausführungen
nlir auf das zu beschränken, was zum Rechtsfall gehört, das
heißt zur Beurteilung der eingeklagten Straftat-Umstände.
Die Verhandlungen dürfen, wenn sie auch in einein Parla-
mentssaale stattfinden, zu keinem politischen Schauspiel wei -
den. Ich muß deshalb im vorhinein erklären, daß ich alle nach
irgendwelchen parteipolitischen Richtungen hinzielenden Aus
fälle unterbinde!:, müßte, wobei ich mich leiten lasse nicht
nur vorn Standpunkt einer objektiven Beurteilung, sondern
auch von dem Bestreben, dem inneren Frieden und den: inter
nationalen Ansehen des Landes Liechtenstein zu dienen. Die
Zuhörer mache ich auf 8 176 der Strafprozeß-Ordnung aus.
merksam, wonach Zeichen des Beifalles und der Mißbilli
gung untersagt sind. Der Vorsitzende ist berechtigt, Personen,
die auf solche Weise die Verhandlungen stören, zur Ordnung
zu mahnen und nötigenfalls einzelne oder alle Zuhörer aus
der Sitzung entfernen zu lassen. Bei' wiederholten Störungen
kann unter Umständen der Betreffende zu einer Arreststrafe
bis zu 8 Tagen verurteilt werden.
Ich hoffe, daß ich von diesem Rechte keinen Gebrauch
niachen muß.
Gestützt ans 8 175 der St. P. O. bestimme ich folgenden
Arbeitsplan:
1. Abnahme der Personalien der vier Angeklagten.
2. Verlesung der Anklageschrift mit Nachtrag; von der
Verlesung des Untersuchungsberichtes kann Umgang genom
men werden, da eine formelle Anklageschrift eingereicht
wurde.
8. Vortritt der Zeugen. Die Zeugen werden im Sinne
des 8 107 der St. P. O. zur Wahrheit ermahnt. Dann wird
im Sinne des 8 190 der St. P . O. die Frage der Beeidigung
ob jetzt oder in einem späteren Zeitpunkt eventuell abge
klärt
4. Verhör der 4 Angeklagten in folgender Reihenfolge:
Thöny, Walser, Carbone, Beck.
Das Verhör beginnt mit Thöny und setzt dann in der
eben geschilderten. Reihefolge fort. Inzwischen, verbleiben die
nicht, verhörten Angeklagten in Untersuchungshaft.
5. Fragestellung an die 4 Angeklagten. Nachdem die
Angeklagten durch den Vorsitzenden in allen Punkten durch
verhört sein werden, ist den Parteien Gelegenheit geboten
zur Fragestellung, und zwar in der Reihenfolge: Gericht,
Staatsanwalt, Privatbeteiligte, Verteidigung. Dazwischen
hinein vielleicht am 2. oder 3. Tage würden wir allfüllige
weitere Beweisanträge beurteilen. Begehren und Verlesun
gen von Akten können nachher noch gestellt werden, nach Er
ledigung allsälliger neuer Beweisanträge.
6. Einvernahme der Zeugen und allfälliger Sachver
ständigen. Für die Fragestellung an diese gilt die gleiche Rei
henfolge wie für die Fragestellung an die Angeklagten. Nicht
unterlassen möchte ich, auf 8 179 der St. P. O. aufmerksam
zu inachen, welcher besagt, daß außer dem Vorsitzenden Mit
glieder des Gerichtes wie, auch der Staatsanwalt, der'Pri
vatankläger und Verteidiger Fragen stellen können, mit der
Beschränkung, daß der Vorsitzende jede Frage, ivelche ihm
unangemessen erscheint, zurückweisen kann.
7. Dann folgt die Verlesung der vom Gerichte von sich
aus oder aus Antrag der Parteien zur Verlesung bestimmten
Akten.
8. Folgen Parteienvortrag in der Reihenfolge wie die
Angeklagten verhört worden sind für die Verteidigung, also
in erster Linie Staatsanwalt, dann Privatankläger, dann
Verteidigung, also wie gesagt in der Reihenfolge: Thöny,
Walser, Carbone, Beck.
9. Steht den Angeklagten das Schlußwort zu.
Damit wird das Beweisverfahren geschlossen. Dann
folgt Urteilsbcratung und die auf bestimmte Zeit festgesetzte
Urteilsverkündigung. Wir werden jeden Tag von 8 Uhr vor
mittags bis 3 Uhr nachmittags arbeiten; von halb 12 Uhr
bis 12 Uhr werden wir eine Erfrischungspause einschalten.
Immerhin muß ich mir vorbehalten, daß wir die Arbeitszeit
eventuell je nach den Bedürfnissen des Falles einer Revision
unterziehe!!. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen schreiten
wir zur Behandlung des Falles.
Wir -haben in erster Linie die Personalien der 4 Ange
klagten abzunehmen.
Ueber Befragen des Präsidenten beantworten die Ange
klagten dieselben wie folgt:
1. Franz Thony, geboren am 16. März 1895, zuständig
Geineinde Vaduz, wohnhaft in Vaduz, Beruf: Sparkassavcr-
walter, verheiratet, katholisch.