Volltext: EINTRACHT (2012) (Ostern)

EINTRACHT OSTERN 2012 MUTTERTAG Sehen wir nach, was in liechtenstei­ nischen Zeitungen vor nur wenigen Generationen zum Thema Mutter­ tag zu lesen war. Zwei Funde, einbezogen in eine heutige Sicht zum Thema Muttertag, entfalten erst im Zusammenspiel ei­ ne spezielle Wirkung: 1. Liechtensteiner Volksblatt vom 13. 5. 1939 - Mütter, Väter, Kinder «Muttertag und hohe Politik» « ... Die grossen Männer der hohen Politik waren auch einmal kleine Knirpse. Eine Mutter hat sie unter Schmerzen geboren, eine Mutter hat sie unter Sorgen auferzogen, eine Mutter hat sie mit ihrem Glück- und Segenswunsch in die Welt ziehen lassen, damit sie auf eigenen Füssen stehen und gehen lernen! Vielleicht denken die grossen Herren am Mut­ tertag daran! ... Die Herren sollten aber noch mehr tun! Sie sollten dar­ an denken, dass ihre Politik mit der Mutter auch etwas zu tun hat, sogar viel zu tun hat! Wo sind die Zusam­ menhänge? Sie liegen klar zutage! Wer leidet unter der Politik am mei­ sten, die zum Kriege führt? Die Mut­ ter! Sie bangt um den Mann an der Front und um die Kinder hinter der Front, die einer ungewissen, viel­ leicht vaterlosen Zukunft entgegen­ gehen. Derweil auf dem Schlacht­feld 
die Kanonen brüllen, die Ge­ wehre knattern, die Granaten plat­ zen und das Gas zischt und tötet, isst sie ihr Brot mit Tränen oder quält sie sich in schlaflosen Nächten mit Gedanken des Schmerzes und der Trauer. Wenn die hohen Herren dar­ an denken würden, was sie mit dem Krieg Millionen Müttern antun, wenn sie ihren Mann oder Sohn oder Vater ihrer Kinder in den Tod schicken, könnten sie dann noch ei­ ne Politik treiben, die zum Krieg führen muss? Könnten sie es im Ge­ danken an die Millionen Mütter, die ihre Söhne so wenig gern im Pulver­ dampf und Kugelregen verlieren, wie ihre eigene Mutter sie nicht gern verloren hätte, wegen etwas natio­ naler Ehre und etwas mehr Land verantworten, eine Politik zu ma­ chen, die nur noch eine Entschei­ dung mit Waffengewalt zulässt? ...» Zitat Ende. 2. Liechtensteiner Vaterland vom 15. Mai 1937 - Ausland «Zwölfjähriges Schulmädchen als politische Emigrantin. Die däni­ schen Behörden haben sich gegen­ wärtig, wie <Politiken> berichtet, mit dem Fall eines 12jährigen Mäd­ chens zu beschäftigen, das vor kurzem aus Danzig geflüchtet ist, um nicht in eine Zwangserzie­ hungsanstalt eingeliefert zu wer­ den. Die Vorgeschichte dieser Kin­ dertragödie ist folgende: In Danzig feiert man, wie in vielen andern 
©äntnuul 3n>»lfjäJ>rige« <sU Mlitif&e (Emigrantin. Tue b3n(f$en T3eb&rben beben gegenwärtig, tote „'pofititen" berieslet, mit bem Sali eine# 12jäferigen 0̂Zäb(f>en# ju beftf>äfti» gen, oor (utjem au« ©anjig gefloatet ift, um nid)t in «ine 3rean<)tftHief)ung»anftalt ein­ geliefert ju werben, ©le ^Öorgefäitfcte tiefer xinbertragöbie ift fofgenbe: 3n Sanjlg feiert man, nie in Dielen aitbern Cänbetn, einen foge- nannten "Muttertag, unb bie Sefcutflaffe, in ber |id> aud> ba? I2jä$rige 3Räbd)en befanb, [elfte in einem Sluffali Sinn unb "Bebeutung blefe« läge« f$ilbern. ®a« Äinb lieferte folgenben 91uffati ab: „&eu»e ift 'SJluttettag. $)ctum follen wir unfere Wlutter efcren. 3t̂> efcre meine 3Jiuttei ntd>t nur am Muttertag, fonbem an allen Sagen im 3a&r. ®er OTutterlag ift eingerichtet »orten, bamit bie ®ef$äft«leute gut serbienen. 'üJlan ebn (eine "OTuttet am befien, intern man gegen ben Krieg fämpft, bamit bie Qüfcne ber SOiOfter nii^t burrf) ©tftgatf getötet werben." <5)ie une»- mattete Tielge blefe« Sluffanes mar, ba§.. ba< ftinb vor ein Sugenb^erit^t fam, tatf feine 33er- bringuna in eine Srjie&ung*-9Jnftalt anorbnete. 3n ber urteillbearünbung ^eiftt H u. a., baß eft gegen bie Sntetejjen be« Äinbei serftofie,. n>enn t* oon feinen "Pflegeeltern ju offenficptüdper 9Diif»ad>tiing ber [taatlidjen ®efel)e erjagen werbet Um ber ffrjiefmngjanftalt ju entgegen, würbe baif Äinb »on ®anjig naefc ®änemarf »geft^muggeti", wo 
et je|t bie @4)ule befugen fall. Liechtensteiner Vaterland, 15. Mai 1937 Ländern, einen sogenannten Mut­ tertag, und die Schulklasse, in der sich auch das 12jährige Mädchen befand, sollte in einem Aufsatz Sinn und Bedeutung dieses Tages schil­ dern. Das Kind lieferte folgenden Aufsatz ab: <Heute ist Muttertag. Darum sollen wir unsere Mutter ehren. Ich ehre meine Mutter nicht nur am Mutter­ tag, sondern an allen Tagen im Jahr. Der Muttertag ist eingerichtet wor­ den, damit die Geschäftsleute gut verdienen. Man ehrt seine Mutter am besten, indem man gegen den Krieg kämpft, damit die Söhne der Mütter nicht durch Giftgas getötet werden.> Die unerwartete Folge dieses Aufsat­ zes war, dass das Kind vor ein Ju­ gendgericht kam, das seine Verbrin­ gung in eine Erziehungs-Anstalt an­ ordnete. In der Urteilsbegründung heisst es u. a., dass es gegen die In­ teressen des Kindes Verstösse, wenn es von seinen Pflegeeltern zu offen­ sichtlicher Missachtung der staatli­ chen Gesetze erzogen werde! Um der Erziehungsanstalt zu entgehen, wurde das Kind von Danzig nach Dänemark (geschmuggelt), wo es jetzt die Schule besuchen soll.» An dieser Stelle ein Dankeschön an das Liechtensteinische Landesarchiv für die freundlichen Hinweise. A.K. 10
	        

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