Volltext: EINTRACHT (2011) (Staatsfeiertag)

EINTRACHT STAATSFEIERTAG 2011 SAGEN «Der Grenzverlauf» Von Maienfeld, dem Städtchen, da steht das Volk zu Häuf, die Buben und die Mädchen, zu seh'n den selt'nen Lauf. Der Läufer mitten inne, wie stolzen Blick's er schaut zur schönen Katharina, zu seiner holden Braut. Es hatte Streit erhoben der Fürst von Liechtenstein. Der Grenzstein sei verschoben, die Bündner sagten: nein. Nun sollte es sich zeigen, wer Recht hat oder nicht, wieviel dem Fürsten eigen bei Gott stand das Gericht. Von Balzers am gleichen Tage beginnen soll der Lauf beim zwölften Glockenschlage den Luzisteig hinauf, und wo die Läufer beide sich träfen, an dem Ort, soll sein die Grenzesscheide der Länder fort und fort. Und zwölf schlägt's, gleich dem Pfeile vom Bogen fortgeschnellt, hinan mit Windeseile fliegt der von Maienfeld. Des Staubes dichte Wolke, sie hüllt den Läufer ein, und rings von allem Volke hallt nach ein lautes Schrei'n. Wohl lief er schnell, doch wehe, noch klimmte er bergan, da sah er von der Flöhe schon den von Balzers nah'n. Flalt, halt, hier ist die Grenze, halt, halt, hier ist die Mark, verdienst wohl schmucke Kränze, Du liefest ja so stark. Was wird die Katharina wohl sagen, Deine Braut, wenn sie mit Siegesmiene mich hier am Orte schaut. Doch hör, Du sollst nicht klagen, soweit Du noch von hier mich laufend fort wirst tragen, gib ich die Grenze Dir. Schnell, wie das Wort getroffen des Unmutvollen Ohr, erwachte all sein Floffen, rafft er sich jäh empor. Als ob sie ihm entflöhe, fasst er die teure Last, hinan zur steilen Flöhe klomm er in wilder Ftast. Und weiter, immer weiter bergab lief er davon, er hörte nicht den Reiter und nicht sein Bitten droh'n. Mit Kräften eines Riesen gelangt er bis zur Stell, wo in die grünen Wiesen sich giesst ein frischer Quell. Und nicht weiter ging's, er sank zu Boden dort. Oh Katharina, rief er - das war sein letztes Wort. Der Katharina-Brunnen, der fliesst noch frisch und rein, vom Alter grau umsponnen steht nahe dort ein Stein. Des Fürsten Zeichen künden, wo seine Macht hört auf, zur Seite gegen Bünden steht Alt Fry Rätien drauf. Fleinz Flöfer 
Verschiedene «Grenzlauf»-Sagen (siehe auch Eintracht Nr. 50, Ostern 2009, S. 14). Bei Otto Seger kann man lesen: «Man war übereingekommen, den Grenzstein gegen das Bündnerland dort zu setzen, wo ein Balzner und ein Bündner, die gleichzeitig, der eine von Balzers, der andere von Maienfeld, sich auf den Weg mach­ ten, einander begegnen würden. Auf der Luziensteig trafen sie zu­ sammen, wo dann auch der Grenz­ stein gesetzt werden sollte. Der Bündner war damit nicht einver­ standen, und der Liechtensteiner liess sich nach langen Verhandlun­ gen bewegen, dass die Grenze um die Strecke nach Norden verlegt werde, die der Eidgenosse den Liechtensteiner zu tragen vermöge. So nahm dieser unseren Lands­ mann auf den Rücken und trug ihn mit seinen letzten Kräften bis zu der Quelle, die aus dem Felsen her­ vorbricht und St. Katharinabrunnen genannt wird. Dort brach er tot zu­ sammen.» Das gleiche Sagenmotiv ist auch an anderer Stelle anzutreffen: Der Grenzlauf Bei der Teilung des Vermunttales soll es so zugegangen sein: Die bei­ den Eigentümer, Gaschurner und Steinsberger, vereinbarten, dass von jeder Seite aus beim ersten Flah- nenschrei ein Bote aufbrechen sol­ le. Wo sie sich träfen, sollte die Grenze sein. Da war im Engadin ein altes Weible, das riet, den Hahn tags zuvor gar nicht zu füttern, und so krähte er schon am Abend um neune. Der Steinsberger machte sich flugs auf den Weg und kam bis nach Mess hinter dem Bellamaises. Als der Gaschurner ankam, der erst am Morgen aufgebrochen war, hat­ te der andere schon zwei große Kreuze in einen Stein eingehauen, die heute noch die Mark bilden. So erhielten die Engadiner den größten Teil der Alpen bis weit ins Öster­ reichische hinab (Montafon). Quelle: R. Beitl, Im Sagenwald, Feldkirch 1953, S. 303, Nr. 576 (Schluß gestrichen) aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 55, S. 40 25
	        

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