Volltext: EINTRACHT (2000) (Advent)

EINTRACHT ADVENT 
2000 »ERSONLICHKEITEN Fürstlicher Rat Josef Ospelt, Vaduz (1881-1962) Josef Ospelt wurde am 9. Januar 1881 in Vaduz geboren. Dort besuchte er die Volksschule und dann die Landes- schule. Als junger Mann trat er in den Staatsdienst ein und arbeitete unter Landesverweser Karl von In der Maur als Regierungskanzlist. Im Alter von 31 Jahren wurde er zum Regierungssek- retär bestellt. 1916 heiratete er mit Ma- thilde Ospelt aus Vaduz. Während und nach dem Ersten Welt- krieg erlebte Liechtenstein unruhige Jahre. Das Alte war grösstenteils abge- brochen, das Neue noch nicht aufge- baut. In dieser Zeit des grundlegenden Wandels und des Übergangs begann sich Josef Ospelt für die Rarteipolitik zu interessieren. Er gehörte 1918 zu den Gründern der Fortschrittlichen Bürger- partei und war später langjähriger Ver- walter und Vorsitzender des Pressever- eins «Liechtensteiner Volksblatt». Im gleichen Jahr trat er aus dem Staats- dienst in private fürstliche Dienste. Bis 1922 besorgte er neben seinen öffentli- chen Ämtern die fürstliche Domänen- verwaltung. In öffentlichen Ämtern Am 23. März 1921 wurde Josef Ospelt vom Fürsten zum Nachfolger von Lan- desverweser Dr. Josef Peer und gleich-zeitig 
zum fürstlichen Rat ernannt. Nach Inkrafttreten der neuen Verfas- sung vom 5. Oktober 1921 ernannte ihn Fürst Johann II. auf Vorschlag des Landtags zum Regierungschef. Er war der erste Liechtensteiner, der dieses höchste Amt bekleidete. Seine Regie- rungszeit war nicht von langer Dauer. Sie währte ungefähr ein Jahr. Und doch tragen gegen 50 Gesetze und Verordnungen seine Unterschrift. Dazu zählt auch die heute noch geltende Verfassung. Als Mitglied der vorbera- tenden Kommission war Josef Ospelt an der Ausarbeitung der Verfassung massgeblich beteiligt. So führte er die Verhandlungen mit dem Bischof von Chur über die Regelung des Verhältnis- ses von Kirche und Staat, dessen Aus- gestaltung in Einzelheiten nicht uner- hebliche Schwierigkeiten bereitete. Auch der Postvertrag mit der Schweiz, der jahrzehntelang unverändert blieb, wurde von ihm unterzeichnet. Da der Zollvertrag mit Österreich gekündigt, der Wirtschaftsanschluss an die Schweiz aber noch nicht erreicht war, musste für die Zwischenzeit ein eige- nes liechtensteinisches Zollregime auf- gebaut werden. Auch der Übergang von der völlig entwerteten österreichi- schen Kronenwährung zum Schweizer Franken war zu bewältigen. Als bei den Landtagswahlen im Früh- jahr 1922 die damalige Volkspartei die Mehrheit erlangte, demissionierte Josef Ospelt und zog mit seiner Familie für kurze Zeit nach Wien. Ende 1922 gründete Rat Ospelt, wie er nun allge- mein und zeitlebens genannt wurde, in Vaduz eine Rechts- und Versicherungs- agentur. Nach dem erneuten politischen Um- schwung im Gefolge des Sparkassa- skandals 1928 bekleidete Josef Ospelt verschiedene bedeutende öffentliche Ämter und engagierte sich stark in so- zialen und kulturellen Belangen. In der Mandatsperiode 1928 bis 1932 war er Landtagsabgeordneter. 1928 über- nahm er die Präsidentschaft im Verwal- tungsrat der Sparkassa für das Fürsten- tum Liechtenstein, unserer heutigen Landesbank. Die Bank befand sich da- mals in einer äusserst schwierigen La- ge, galt es doch, das verloren gegange- ne Vertrauen des In- und Auslandes in das Landesinstitut wieder zu gewin- nen. Das Verwaltungsratspräsidium hat-te 
Josef Ospelt bis 1953 inne. Danach stand er bis 1957 dem Aufsichtsrat der Bank vor. 1930 wurde er Präsident des neu errichteten Staatsgerichtshofes. Dieses hohe Staatsamt übte er bis 1955 aus. Für sein öffentliches Wirken wurde Josef Ospelt von Fürst Franz I. 1937 das Komturkreuz des liechten- steinischen Verdienstordens verliehen. Soziales und kulturelles 
Engagement Josef Ospelt gehörte zu den Grün- dungsmitgliedern des Historischen Vereins. Seit 1918 wirkte er im Ver- einsvorstand, von 1928 bis 1955 leite- te er den Verein als Vorsitzender. Er re- digierte das Jahrbuch des Vereins und veröffentlichte darin eine stattliche Rei- he geschichtlicher, volks-, familien- und namenkundlicher Arbeiten. Seine bedeutendste ist wohl die 1911 er- schienene Sammlung liechtensteini- scher Orts- und Flurnamen. Es war we- sentlich Josef Ospelt zu verdanken, dass 1954 im oberen Stockwerk des neu errichteten Sparkassa-Gebäudes (heute Landesbank) ein völlig neu ge- staltetes Landesmuseum eingerichtet werden konnte. Josef Ospelt war einer der Initianten des 1923 gegründeten liechtensteini- schen Caritasvereins und bis 1960 als Kassier und Verwalter auch dessen trei- bende Kraft. Die Gründung des Liech- tensteiner Volksvereins, der ersten ka- tholischen Erwachsenenbildungsein- richtung in Liechtenstein, im Jahre 1924 war ebenfalls wesentlich sein Verdienst. 1960 zeichnete Papst Johan- nes XXIII. sein Wirken im Caritasverein mit der Goldenen Verdienstmedaille «Bene Merente» aus. Rat Ospelt starb am 1. Juni 1962 im 82. Lebensjahr. In der Grabrede werte- te Regierungschef Dr. Alexander Frick das Wesen und Schaffen von Rat Os- pelt treffend, wenn er ausführte: «Zwar wäre es wohl übertrieben, wenn ich sagen würde, seine unbedingte Geset- zes- und Grundsatztreue, seine gerade- zu pedantische Exaktheit in Allem, sei- ne Zurückgezogenheit aus dem gesell- schaftlichen Leben, hätten ihn zu ei- nem allseits beliebten Manne gemacht, aber diese seine wohl hervorstechend- sten Eigenschaften machten ihn zu ei- nem allseits geachteten Manne, dem kaum je jemand mit Misstrauen entge- gentrat.» Dr. Alois Ospelt
	        

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