Volltext: EINTRACHT (2000) (Advent)

EINTRACHT ADVENT 
2000 LEITARTIKEL Wir lösen uns prahlend aus Bindungen Wir erleben eine Zeitenwende, die von einem rasanten Wandel in den verschiedensten Bereichen begleitet wird. Es ist ein Glück, dass wir da- bei nicht nur dem Einfall folgen müssen, sondern dass es auch Tra- ditionen gibt und diese verbunden sind mit Zielen. Sie nötigen zum Überblick, zum Messen der Zeiten und sie leiten das ein, was wir heu- te Bewusstseinsprozess nennen, welcher beginnt bei der Erkenntnis der grossen Distanz zur Denkweise des Vaters und der Mutter. Wir sind dazu berufen, in der Abfolge der Generationen den von der Vorse- hung angewiesenen Platz auszufül- len. Diese Verpflichtung, ja nur schon diese Vorstellung davon ist uns Heutigen fremd geworden. Der rasche Wandel in der sieht-, hör- und greifbaren Umwelt, die durch Computer und Internet explosions- artige Ausbreitung unserer Kennt- nisse und die Veränderung auch der eigenen Gewohnheiten und Einstellungen haben ein Lebensge- fühl hervorgerufen, das frei von be- drängenden und belastenden Tradi- tionen ist, wir verlieren aber den Boden unter den Füssen wie der Astronaut, der im Raum «spazieren geht». Wir drücken uns um die Sor- ge für die, die nach uns kommen, scheitern aber auf der ziellosen Su- che nach Sinn. Wir lösen uns prah- lend aus Bindungen und Bezügen, bekommen es aber mit der Angst zu tun, sobald wir den Verlust der Geborgenheit bemerken. Das ist nicht aussergewöhnlich, denn der russische Schriftsteller Dostojewski meint in «Werdejahre» teils wört-lich: 
«Gerät ein Mensch nur ein klein wenig aus dem herkömmli- chen Geleise, das ihm durch die Sitte zum Gesetz geworden ist, so weiss er sogleich nicht mehr, wie er sich verhalten soll. Solange er im Geleise bleibt, ist alles klar. Aber so wie dieser Zustand auch nur im ge- ringsten gestört wird, was bin ich dann? Ein Blatt, das der Wind her- umtreibt. Ich weiss nicht, wie ich mich verhalten 
soll.» Horchen auf die innere Stimme Wir spüren und erfahren, dass der eingangs erwähnte Wandel über uns kommt, ob wir wollen oder nicht, und dass er uns widerfährt, ohne dass es uns gelingt, ihn zu meistern, ihn in den Griff zu be- kommen. Ganz allmählich und nur widerstrebend beginnen wir wie- der, die Macht des Schicksals zu ahnen. Das von der Vorsehung uns zugemessene Geschick und das auch von den Menschen Gemachte entgleitet unseren Händen wie de- nen von Goethes Zauberlehrling: «Verzweifelt zappeln wir in den Maschen der selber ausgelegten Netze.» Das alles hat zur Folge, dass wir auch die Veränderungen unserer Zeit nur noch als äussere und äusserliche zu begreifen ver- mögen, und weil all dieses Äussere unaufhörlich in Umwälzung begrif- fen ist, beansprucht es unsere volle Aufmerksamkeit und lässt das Feste, Beständige, Dauernde unbeachtet bleiben, nicht zu reden von den im Verborgenen wirkenden und gestal- tenden Kräften und ordnenden Mächten. Die Zugänge zum Be- ständigen sind verschüttet durch den Lärm, die Hast und ein kurzat- miges Zweckdenken. Unserer pau- senlos herumgetriebenen Generati- on ist die Ruhe abhanden gekom- men. Sie hat verlernt, Kraft zu schöpfen im Nachsinnen und im Besinnen auf das, was sich im Wandel als Beständiges erhält und dem Ganzen erst Sinn und Rich- tung gibt. Gefragt ist gerade in der Adventszeit der Weg nach innen mit der Erspürung der Gefühle und dem Horchen auf die innere Stim- me. Hektik in der Freizeit büsst dann an Bedeutung ein oder ver-schwindet 
ganz. Vielleicht hilft dies dazu, ein Gefühl der Geborgenheit zu entfalten, so wie es vielleicht einmal 
war. Nicht stolz, nicht träge und nicht satt werden Wir haben das Glück, Menschen- rechte zu besitzen und Werte zu pflegen, die an vielen Orten in der Welt in Drangsal und Bürgerkrieg untergehen. Darüber nicht stolz, nicht träge und nicht satt zu wer- den und, wo das uns schon getrof- fen hat, diese negativen Eigenschaf- ten zu bekämpfen, das sind Aufga- ben, die mehr und mehr zu dringli- chen Aufgaben werden. Der Weg aus sattem Glück in tiefes Elend ist in der Geschichte immer schnell verlaufen. Der Absturz ist stets dann eingetreten, wenn Wohlfahrt und Behagen die Völker innerlich über Leere und Substanzlosigkeit hinwegtäuschten. Die Kraft der Vi- talität des inneren Lebens muss sich daran erweisen, dass entsprechen- de Aufgaben angenommen und La- sten getragen 
werden. Dem Dank auch Raum geben Wir alle ersehnen hoffentlich über das eigene Wohl weit hinaus eine Welt ohne Armut und voll grossen Friedens. Viele Menschen sind oh- ne eigenes Verschulden durch Na- tur- oder andere Ereignisse in tiefste Not geraten. Sie sind deshalb ange- wiesen auf unsere Grosszügigkeit, auf ein Geben, das im dankbaren Leben den Ursprung hat. Wir han- deln deshalb auch in der Advents- zeit nach der Devise: «Geben ist seliger als Nehmen.» Das sind Gedanken für die kom- menden Festtage. Auf jeden Fall wünscht Ihnen die gesamte Redak- tion der «EINTRACHT» ein frohes, glückseliges Weihnachtsfest und al- les Gute, sowie Gottes Segen im Jahre 2001. < Adulf Peter Goop
	        

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