Volltext: EINTRACHT (2000) (Ostern)

Hl ES ES EINTRACHT OSTERN 
2000 LEITARTIKEL Wo bleibt das Ethos? Letzthin las ich, es komme für die Frage, wer ein guter Bürger sei, nicht auf das Ethnische an, sondern auf das Ethische. Ich habe mich ge- fragt, wo es sich in Liechtenstein verbirgt. Unsere Gesellschaft wird zusam- mengehalten durch Leistung, tech- nischen Fortschritt, optimale Ratio- nalität und ein Höchstmass an Pro- duktion und Konsum. Kultur, Geist, Philosophie - überhaupt die Huma- nitas - spielen eine irrimer geringere Rolle. Von Ethik redet - mit Ausnah- me der IAP (Int. Akademie für Philo- sophie Campus, Gaflei) - fast kein Mensch. Eine Welt voller Betrieb- samkeit und Hetze - wofür leben wir eigentlich? Wir haben im per- sönlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Leben schon seit einigen Jahrzehnten den goldenen Schlüssel der Selbstbeschränkung im Rhein versenkt. Allmählich zeigt sich aber nun, dass dies alles zu Sinn-Armut, Vereinsamung und Entfremdung führt. Die totale Diesseitigkeit kann aber als einzige Sinn-Gebung des Menschen auf die Dauer nicht be- friedigen. Um es klarzustellen, ich möchte nicht das bequeme Mittel- mass zum nationalen Wesenszug in Vorschlag bringen. Im Gegenteil, ich möchte die Freude an geistiger Arbeit, an der Entfaltung schöpferi- scher Kräfte, an der Leistung und am lebenslangen Lernen wecken, för- dern und unterstützen. Was kann ich für den Staat 
tun? Jede Gesellschaft braucht Bindun- gen und Spielregeln. Eine Gesell- schaft, in welcher jeder - dem Zeit- geist nachgebend - nur an sichdenkt, 
das Allgemeinwohl aber dem Staat überlässt, die nicht über einen ethischen Minimalkonsens einig ist und keine allgemeinen moralischen Barrieren akzeptiert, wird mit der Zeit unweigerlich zerfallen. John F. Kennedy sagte zu den Amerikanern: «Fragt nicht, was der Staat für euch tun kann, sondern überlegt euch, was ihr für den Staat tun könnt.» Die Marktwirtschaft als das effizien- teste Wirtschaftssystem hat uns viel gebracht, aber wenn dieses beste- hen bleiben soll, dann müssen auch Geist und Kultur, Mitgefühl, Rück- sichtnahme und Toleranz zu ihrem Recht kommen, dann müssen wir uns auch für jene einsetzen, welche sich durch geistige und ethische Qualitäten abheben. Eine Ethik der Verantwortung ist heute noch viel notwendiger als früher. Der Philosoph Hans Jonas sagte einmal: «Früher mögen die Zehn Gebote als Orientierungshilfe ausgereicht haben, aber im Zeitalter des Globalismus und des Zer- störungspotentials sowie des techni- schen Fortschritts müssen wir eine Ethik entwickeln, die uns bewusst werden lässt, wie gross unsere Ver- antwortung ist.» Der Staat kann ethische Richtlinien nicht 
angeben. Unsere Gesellschaft befürwortet weiterhin die Monarchie auf par- lamentarisch-demokratischer Grund- lage. Sie bejaht den Pluralismus, ist froh über Rechtssicherheit und Freiheit, nicht wenige lehnen aber viele der derzeitigen Erscheinungs- formen dieser Institution trotzdem ab und schimpfen über die weltli- che und geistliche Obrigkeit. Die Aufklärung brachte den Bürgern Freiheit und persönliche Rechte. Sie machte die Emanzipation von kirch- licher und staatlicher Autorität mög- lich. Nun stellt sich aber mit einem Mal heraus, dass es gerade die Reli- gion war, die das Fundament der Gesellschaft bildete, so dass diese jetzt ohne ihr Ordnungsprinzip rat- los und verloren erscheint. Soll das Rad nun zurückgedreht werden? Das ist nicht möglich.Was 
können wir 
tun? Wir müssen uns zunächst im Klaren darüber sein, dass die Verantwor- tungsethik durch den Erziehungs- prozess im Elternhaus, in der Schule und in der Gemeinschaft erworben wird, und wir müssen uns die Frage stellen, ob diese ihrer grossen und bedeutsamen Aufgabe gerecht wer- den? Und wenn nicht, was können wir unternehmen? Alexander Solschenizyn begründet den Zusammenbruch ethisch-mora- lischer Werte, wie er auch in Liebe und Ehe, als tragende Elemente der christlichen Gesellschaft in er- schreckender Weise in Erscheinung tritt, mit einfachen Worten: «Wir ha- ben Gott vergessen, darum ist alles so gekommen.» Prof. Dr. Werner Ross, München, ist der Auffassung, es fehle uns heute an einer verbindlichen Ethik. «Die christliche Ethik hat in der Vergan- genheit ungeheuer viel produziert, einschliesslich des Sozialismus, der auf diesem Boden gewachsen ist. Die Art, wie das Christentum heute totgeschwiegen wird, sehe ich als skandalös an.» Prof. Dr. Gutzwiler meint in seinen «Gedanken zur Bergpredigt» u. a.: «Was nützt es, der Jugend das nötige Wissen beizubringen, wenn in der Schule die Hauptsache vernachläs- sigt wird, die charakterliche Erzie- hung, die Herzensbildung, die Ge- sinnungsbildung?» Vielleicht finden Sie, liebe Leserin- nen und Leser, Zeit, in der Karwo- che und an den Osterfesttagen über diese nicht einfachen Ausführungen nachzudenken. Die gesamte Redaktion der «Ein- Tracht» wünscht Ihnen auf jeden Fall ein frohes, gesegnetes und ruhi- ges Osterfest. < Adulf Peter Goop
	        

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