Volltext: EINTRACHT (1999) (Advent)

SEI EINTRACHT ADVENT 
1999 «Ja, es gibt das Christkind» Kurz vor Weihnachten, 1897, be- kam die Redaktion der Zeitung «New York Sun» einen eigenartigen Leserbrief: Die achtjährige Tochter Virginia des New Yorker Arztes Dr. Philipp O'Hanlon fragte die Zei- tung, ob es wirklich einen Weih- nachtsmann gebe, was nach unse- rem Brauchtum «das Christkind» bedeutet, weshalb wir anstatt Weih- nachtsmann Christkind schreiben. Die Antwort des Redaktors Francis P. Church wurde als Leitartikel auf der ersten Seite gedruckt. Und die- ser Text war sofort Gegenstand des New Yorker Tagesgesprächs: Der Zeitungsmann hatte mit seiner Ant- wort unzähligen Menschen aus dem Herzen gesprochen. Als das Weihnachtsfest 1898 nahte, erreichten hunderte von Leserzu- schriften die «Sun»-Redaktion, alle mit der Bitte, die Antwort von Church doch noch einmal abzu- drucken. Die Zeitung kam dem Wunsch nach - und schliesslich wurde es Tradition, dass die «New York Sun» jedes Jahr vor Weihnachten den Text «Ja, es gibt einen Weihnachts- mann, Virginia!» abdruckte - bis auf den heutigen Tag. «Virginia, Deine kleinen Freunde haben nicht recht; sie sind vom Zweifel einer misstrauischen Zeit befallen. Sie glauben nur das, was sie sehen. Sie glauben, dass es nichts geben kann, das sie mit ihrem kleinen Geist nicht fassen können. Jeder menschliche Geist, Virginia, ist klein; ganz gleich, ob es der Geist eines Erwachsenen oder der eines Kindes ist. In unse- rem grossen Weltall ist der Mensch wie ein Insekt, wie eine Ameise in seinem Verstand, verglichen mit der grenzenlosen Welt, die ihn umgibt, gemessen an dem Geist, der fähig ist, die volle Wahrheit und alles Wissen zu fassen.Weihnachtsfeier 
auf Schloss Vaduz im Jahre 
1952 Wie traurig wäre die Welt, wenn es kein Christkind gäbe Ja, Virginia, es gibt ein Christkind. Es gibt es so gewiss wie es Liebe gibt und Grossherzigkeit und Treue, und Du weisst, sie sind in Fülle vor- handen und schenken Dir das Le- ben in seiner höchsten Schönheit und Freude. Wie traurig wäre die Welt, wenn es kein Christkind gä- be; sie wäre so traurig, wie wenn es keine Virginias gäbe. Es gäbe dann keinen kindlichen Glauben, keine Poesie, keine Romantik, die dieses Leben erträglich machte. Wir wür- den keine Freude haben ausser den Dingen, die den Sinnen begreiflich und erschaubar sind. Das ewige Licht, mit dem die Kindheit die Welt erhellt, wäre ausgelöscht. Wenn Du nicht an das Christkind glaubst, könntest du genau so gut nicht an Märchen glauben. Kein Mensch sieht das Christkind, aber das heisst nicht, dass es kein Christ- kind gibt. Die wirklichen Dinge im Leben sind die Dinge, die weder Kinder noch Erwachsene sehen können. Hast du je die Elfen auf der Wiese tanzen sehen? Natürlich nicht, aber das ist kein Beweis, dasses 
sie nicht gibt. Kein Mensch kann sich all die Wunder ausdenken und vorstellen, die es ungesehen und unsichtbar in der Welt gibt. Du kannst eine Kinderrassel aufbre- chen und innen nachschauen, was das Geräusch verursacht, aber da gibt es einen Schleier, der die un- sichtbare Welt verhüllt, den nicht der stärkste Mann zerreissen könn- te, den nicht einmal alle stärksten Männer, die je gelebt haben, zu- sammen zerreissen könnten. Nur Glaube, Phantasie, Poesie, Liebe und Romantik können diesen Vor- hang heben und die übernatürliche Schönheit und Herrlichkeit dahinter erblicken. Ist das alles wirklich? O Virginia, es gibt in der ganzen Welt nichts, das wirklicher und beständi- ger wäre. Gott sei Dank lebt das Christkind und wird immer leben. In tausend Jahren, Virginia, nein, in zehnmal tausend Jahren wird es immer noch da sein, das kindliche Herz mit sei- ner Freude zu erfüllen. Francis P. Church, 1897» 11
	        

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